Bundeswehr-Milliarden statt Kinderschutz-Millionen?

Felix Efosa

Salvete alle Anwesenden,

Mehrbelastungen im Kinder- und Jugendhilfebereich sind an sich zunächst nichts grundsätzlich Schlechtes. Doch die Ausführungen und Prognosen, die sich aus der Vorlage herauslesen lassen, geben einem dann doch zu denken.

So ist etwa im Bereich der stationären Kinder- und Jugendhilfe die Rede von „zunehmend psychisch stark verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen“ sowie von „immer jüngeren Kindern mit extrem hohen Bedarfen“. Hinzu kommen längere Verweildauern in Inobhutnahmestellen, vermehrte Zusatzleistungen wie etwa Security im Rahmen der Inobhutnahme, sowie deutlich höhere Bedarfe, die über längere Zeiträume gedeckt werden müssen – eben weil zunehmend auch jüngere Kinder betroffen sind. Auch die Zahl junger Volljähriger in stationären Hilfen nimmt zu, da sich ihre Verselbstständigung aufgrund massiver psychischer Auffälligkeiten verzögert. Oft ist keine Entlassung aus dem stationären Setting möglich, weil geeigneter Wohnraum fehlt.

Diese Herausforderungen belasten nicht nur die öffentliche Jugendhilfe, sondern auch das Schulsystem, das Gesundheitssystem und die freien Träger der Jugendhilfe, die mit ihren Leistungen zunehmend an Grenzen stoßen – etwa bei der Aufnahme und Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die nicht mehr beschulbar oder nicht mehr therapierbar sind. Denn: Kinder und Jugendliche, die aufgrund von Ressourcenknappheit als „nicht mehr beschulbar“ oder „nicht mehr therapierbar“ gelten, sind genau diejenigen, die unsere besondere Aufmerksamkeit bräuchten. Und nur weil ein Kind nicht in Obhut oder stationär untergebracht ist, heißt das noch lange nicht, dass es ihm gut geht oder es sich gesund und kindgerecht entwickeln kann.

Gleichzeitig steht diesen hohen fachlichen Anforderungen eine ungünstige Entwicklung im Bereich Personal gegenüber: Es gibt viele unbesetzte Stellen, weniger qualifizierte Bewerbungen, fehlende Ressourcen zur Einarbeitung, eine schwindende fachliche Erfahrung in den Teams und eine hohe Fluktuation, die sich in den kommenden Jahren – insbesondere durch die Altersstruktur der Mitarbeitenden im Amt für Kinder, Jugend und Familie – weiter verfestigen wird. Daraus folgt, dass sich Qualität und Professionalität in fast allen Abteilungen des Amts voraussichtlich nicht in gewohntem Maße aufrechterhalten lassen. Das wiederum schränkt die pädagogische Steuerungsfähigkeit der Jugendhilfe ein und beeinflusst auch die steigenden Fallzahlen.

Die Situation wird sich also aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren weiter verschlechtern. Und so engagiert die Mitarbeitenden der freien Träger und im Aki auch sind – sie arbeiten mit Herzblut – am Ende stehen sie, die Eltern und vor allem die Kinder oft allein da.

Natürlich kann der Staat nicht alles übernehmen – „It takes a village to raise a child“. Und selbstverständlich stehen zuallererst auch die Eltern und das direkte Umfeld in der Verantwortung. Aber der gesetzliche Auftrag nach dem SGB VIII ist eindeutig: Wenn Eltern vorübergehend nicht in der Lage sind, müssen wir als Gesellschaft die Sicherheit und Entwicklung der Kinder gewährleisten.

Wie auch in der Vorlage geschildert, können wir diesem Auftrag zukünftig vermutlich immer weniger gerecht werden. Während sich die „Könige in Berlin“ und die „Fürsten der Länder“ von Skandal zu Skandal hangeln – ohne Scham, ohne Konsequenzen, sei es die Maskenaffäre, die Ausländermaut, Cum-Ex, Stuttgart 21 oder künftig das Versenken des halben Staatshaushalts im schwarzen Loch „Bundeswehr“ – verkommt hier unten der Plebs. Und blutet – metaphorisch natürlich.
Es wäre falsch zu behaupten, dass nichts passiert: Baden-Württemberg ist inhaltlich mit diversen Kinderschutzprogrammen auf dem Weg, sich aus dem tiefen Mittelalter herauszuarbeiten. Aber finanziell kommt das Land seinen Verpflichtungen nach wie vor nicht ausreichend nach. Auch im Bund gibt es Ansätze: Der Ganztagsanspruch, Sprachförderung, Digitalisierung – das alles soll angegangen werden. Gleichzeitig muss aber z. B. unser Jobcenter jetzt bei beruflicher Eingliederung und Weiterbildung sparen – also genau bei den Eltern, deren Kinder statistisch besonders häufig mit dem Aki zu tun haben. Das wirkt alles nicht wirklich durchdacht.

Zum Schluss sei mir noch ein kleiner Rückgriff auf die letzte Gemeinderatssitzung gestattet: „Sozialromantik“ ist nicht, wenn wir einem profitorientierten Bauträger keinen Baugrund auf einem gemeinwohlorientierten Baugebiet überlassen. Sozialromantik – oder einfach gute Politik – ist, wenn wir unseren Kindern die Chancen und Möglichkeiten bieten, die ihnen rechtlich zustehen und die sie real verdient hätten.

Ein bisschen Sozialromantik hätte Deutschlands größtem Bremsklotz Christian Lindner und der ganzen Republik gutgetan.
Mir bleibt nur, all denen zu danken, die tagtäglich für unsere Kinder und Jugendlichen im Einsatz sind.

Danke sehr.