BZ-Interview/Streitgespräch zu Baumfällung am Keidelbad, mit Michel Moos und dem SPD-Stadtrat Stefan Schillinger

Am Keidel-Bad sollen 190 Bäume gefällt werden. Was Freiburger Kommunalpolitiker darüber denken, darüber sprechen die Stadträte Michael Moos und Stefan Schillinger im Interview.

Dass im Mooswald 190 Bäume gefällt werden sollen, weil dem Keidel-Bad ein Parkplatz fehlt, stößt bei vielen auf Unverständnis. Was ist wichtiger: Klimaschutz oder Sachzwänge? Darüber haben sich Simone Lutz und Fabian Vögtle mit den Stadträten Michael Moos (Eine Stadt für alle) und Stefan Schillinger (SPD/Kulturliste) unterhalten.

BZ: Wie ist das für Sie als Kommunalpolitiker? Auf der einen Seite das große Thema Klimaschutz, auf der anderen die Notwendigkeit, das Keidel-Bad auszubauen?
Moos: Wir dürfen von Klimaschutz nicht nur reden. Wir müssen ernst machen, wenn es zum Konflikt kommt. Wir können nicht immer in alten, eingefahrenen Bahnen denken und kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen den Vorzug geben. Dies hier ist ein Fall, bei dem man exemplarisch klarmachen kann, ob wir Klimaschutz ernsthaft mit einem Kurswechsel in den Prioritäten betreiben wollen. Oder ob wir weitermachen wie bisher.

Stefan Schillinger, 41, ist Realschullehrer und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD.

Michael Moos, 72, ist Rechtsanwalt, und vertritt seit 20 Jahren die Linke Liste im Gemeinderat.

BZ: Das Forstamt hat die Zahl der Bäume auf Freiburger Gemarkung auf rund neun Millionen geschätzt. Ist da der Widerstand gegen die Abholzung von 190 Bäumen nicht reine Symbolpolitik?
Moos: Für mich ist es beides. Manchmal muss man auch Zeichen setzen in der Politik. Das hat unser Oberbürgermeister mit dem Mietenstopp in der Mietenfrage gemacht – das war ein gutes Zeichen. Zum anderen muss man sehen, dass 190 Bäume einige Tonnen an CO2 im Jahr binden, die bei Verbrennung wieder freigesetzt werden.

“In den Bussen sitzen im Schnitt dreieinhalb Leute – mit mehr Bussen hätte ich nichts gewonnen.”
Stefan Schillinger

BZ: Herr Schillinger, Sie unterstützen den OB in dieser Sache und sagen, man komme nicht drumherum, zu fällen.
Schillinger: Erstmal glaube ich, dass man von uns Kommunalpolitikern erwartet, Dinge sachlich zu analysieren. Dazu gehört es, die Vorgeschichte anzuschauen, Alternativen abzuwägen und dann eine Entscheidung zu fällen. Der Aufsichtsrat der Stadtbau hat sich schon zwei Mal mit den Fällungen auseinandergesetzt. Wir haben mehr als 18 Millionen Euro ins Keidel-Bad gesteckt – diese Tatsache gehört einfach zur Diskussion dazu. Wir wollen, dass dort mehr Leute hingehen. Und wir wollen vor allem, dass alle vernünftig parken – Rettungsfahrzeuge kommen zum Beispiel oft nicht durch. Deshalb brauchen wir den Parkplatz, es gibt ja auch rechtliche Vorgaben nach der Landesbauordnung. Da ist es zu kurz gesprungen, einfach den Bustakt verbessern zu wollen. In den Bussen sitzen im Schnitt dreieinhalb Leute – mit mehr Bussen hätte ich nichts gewonnen.
Hintergrund: Bürgerverein und Fridays for Future kritisieren Abholzung am Eugen-Keidel-Bad

BZ: Um die Klimakatastrophe abzuwenden, muss man drastische Maßnahmen ergreifen. Wie, wenn man es nicht mal schafft, 190 Bäume zu erhalten?
Schillinger: Den Vorschlag des Oberbürgermeisters, zwei neue für einen gefällten Baum zu pflanzen, finde ich ganz gut. Die 190 Bäume sind ja schon vor Jahren ersetzt worden, und sie jetzt nochmal zu ersetzen auf Parkflächen und am Opfinger See, ist eine gute Idee. Es wäre sinnlos, 18 Millionen für Sanierung und Erweiterung in ein Bad zu stecken und den Leuten dann zu sagen, kommt halt mit Fahrrad oder Bus. Die Leute kommen vorwiegend im Winter, 90 Prozent kommen mit dem Auto, 75 Prozent aus dem Umland. Das sind Tatsachen.

Wir müssen uns überlegen, wie wir nicht nur die Freiburger gewinnen für eine attraktive Umsteigepolitik.

Michael Moos

BZ: Aber wenn die Klimakatastrophe drastische Maßnahmen erfordert und dies wäre eine drastische Maßnahme?
Schillinger: Und dann? Machen Sie das Bad lieber zu?
Moos: Es geht ja hier um zwei Topoi: Klimaschutz und Verkehrswende. Es geht gleichzeitig, und das macht die Sache so spannend, darum, Zeichen zu setzen, dass wir es ernst meinen mit der Verkehrswende. Wir müssen uns überlegen, wie wir nicht nur die Freiburger gewinnen für eine attraktive Umsteigepolitik. Und darüber hat sich die Geschäftsführung der Stadtbau noch keine Gedanken gemacht. Das einzige, was parallel geprüft wurde, war ein zweigeschossiges Parkhaus. Schlimm ist, dass bisher die Öffentlichkeit nicht wirklich informiert wurde, weder wie groß die gesamte Rodungsfläche ist – sie ist beinahe so groß wie das Spielfeld im Schwarzwaldstadion –, noch was die zusätzlichen 194 Stellplätze kosten und wo sie genau liegen. Auch ist nicht bekannt, dass die Zahl der nachzuweisenden Stellplätze abhängig ist von der Qualität der ÖPNV-Anbindung. Immerhin gibt es ja schon 200 Pkw Stellplätze. Deshalb möchte unsere Fraktion, dass das Keidel-Bad Thema im Gemeinderat wird und wir Alternativen zu immer mehr Parkplätzen diskutieren können.

Schillinger: Herr Moos will “Zeichen setzen”, das aber bringt dem Klima nichts. Wenn die Leute den Bus nehmen würden, würden wir zusammenkommen. Aber das wird nicht passieren. Man kann sich die Welt nicht so zurechtlegen, wie man das gerne hätte.
Moos: Das Problem ist, dass sich die Geschäftsführung immer in Konkurrenz zur Therme in Bad Krozingen sieht, wo die Leute kostenlos parken. Deshalb lehnt die Geschäftsführung eine Parkraumbewirtschaftung am Keidel-Bad bis zum heutigen Tag ab. Deshalb ist sie nicht fähig, zusammen mit der VAG Modelle zu entwickeln, die über den Tag hinausweisen. Deshalb muss der Gemeinderat übernehmen. An allererster Stelle müsste die Parkraumbewirtschaftung stehen, da sind sich alle einig, damit nicht mehr wild geparkt wird. Jeder sollte wissen: Wenn ich mit dem Auto zum Keidel-Bad fahre, kostet das mindestens fünf Euro. Und umgekehrt müsste man wissen: Wenn ich mit dem Bus fahre, kostet mich das nichts.

BZ: Herr Schillinger, Sie sehen skeptisch aus. Halten Sie das für unrealistisch?
Schillinger: Ich halte es für unrealistisch, dass Leute mit dem Bus ins Keidel-Bad fahren. Was ich nachvollziehen kann: Dass man in gewissem Umfang eine Parkraumbewirtschaftung macht. Wenn das aber dazu führt, dass der Eintrittspreis so hoch wird, dass kein Kunde mehr kommt, hätten wir nicht 18 Millionen investieren dürfen. Auch wenn die Leute in 20 Jahren alle mit E-Autos kommen: Die werden trotzdem individuell anreisen und den Platz benötigen. Ich fand die Idee mit der Parkpalette gut. Vier- statt zweistöckig, vielleicht in Kooperation mit dem benachbarten Hotel und der Klinik, wäre mir noch lieber. Das spart Fläche.

BZ: Alleine um die Palette zu bauen, sagt FSB-Geschäftsführerin Magdalena Szablewska, bräuchte man Baumaschinen, für die man letztlich noch mehr Bäume fällen müsste als für den geplanten, ebenerdigen Parkplatz.
Moos: Ja so argumentiert die Stadtbau. Aber das können wir alles nicht so recht nachvollziehen, wobei wir auch nicht mehr Pkw-Stellplätze in Form einer Parkpalette wollen. Wir wollen nicht noch mehr Pkws anziehen und schon gar nicht dafür Bäume fällen.
Schillinger: Mir geht es um eine langfristige Lösung. Wir wollen nicht, dass dort weniger Leute hingehen. Geld ist reingesteckt worden, da muss Geld verdient werden. Die Idee, dass mit einer besseren ÖPNV-Anbindung viel mehr Leute mit Bus anreisen, halte ich für Quatsch.
Moos: Ist es wirklich ein Bad für alle? Im Freiburger Familienpass ist das Thermalbad zum Beispiel nicht drin. Fakt ist, dass heute eine vierköpfige Familie schon 46 Euro Eintritt zahlt, und es soll noch teurer werden. Das ist verdammt viel Geld, das können sich nicht alle leisten. Es wird immer gesagt, es sei wirtschaftlich notwendig, das stelle ich erheblich in Zweifel. Schon jetzt stößt das Bad oft an seine Kapazitätsgrenzen und darüber. Nur 25 Prozent der Besucher kommen aus Freiburg, warum? Weil es den Freiburgern oft jetzt schon zu voll ist. Und da soll es wirtschaftlich sinnvoll sein, noch mehr Besucher mit Pkws anzusprechen? Ich bezweifle das.

“Noch nie haben wir im städtischen Haushalt so viel Geld für Klima- und Umweltschutz ausgegeben wie heute.”

Stefan Schillinger

BZ: Als Kommunalpolitiker müssen Sie pragmatische Entscheidungen treffen und das irgendwie mit den Wünschen der Bürger in Einklang bringen. Denn für Klimaschutz sind ja fast alle, aber mit dem Auto kommen eben auch viele.
Schillinger: Am Ende geht’s ums große Ganze. Man hat immer Dinge, die man aus Sachzwängen machen muss. Auf der anderen Seite kann man ja Ausgleiche schaffen und das tun wir. Noch nie haben wir im städtischen Haushalt so viel Geld für Klima- und Umweltschutz ausgegeben wie heute.
Moos: Unsere Aufgabe kann nicht sein, nur pragmatische Entscheidungen zu treffen, sondern als Gemeinderat auch Richtlinien der Politik vorzugeben und dabei neue Wege mit der Verwaltung zu gehen. Wenn wir das nicht machen, und uns immer nur von einer pragmatischen Entscheidung zur nächsten hangeln, dann werden wir die großen Ziele nie erreichen. Noch ist kein Baum gefällt, man muss und kann da noch was ändern. Es wäre ein Riesenfehler der Stadtpolitik, das jetzt einfach durchzuziehen.