Freiburg braucht Mut zur Mieter:innenpolitik statt Marktideologie

Sehr geehrter Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

beim Thema Wohnen beteuern alle, dass die Wohnungsfrage eine soziale Frage ist und wir entsprechend handeln müssen. Beim Ausbuchstabieren dessen, was sinnvoll ist beim sozialen Wohnungsbau, bei Nachverdichtung, Innenentwicklung und dem Bau neuer Stadtteile, gehen die Vorschläge dann aber weit auseinander und es erklärt sich auch, warum z.B. die CDU-Fraktion und die FDP auf der rechten Seite des Saals sitzen und wir auf der linken.

CDU und FDP versuchen den Eindruck zu erwecken, sie verstünden etwas von Wirtschaft. Wenn das so wäre, sähe aber die Wohnungspolitik von CDU und FDP ganz anders aus. Warum? Weil die Wohnungsfrage nicht nur eine soziale, sondern auch eine wirtschaftliche Frage ist. Denn die steigenden Wohnungsmieten werden zum Wachstumshindernis. Wenn Arbeitskräfte sich Wohnen in den Städten nicht mehr leisten können, verlieren die Städte an wirtschaftlichem Einfluss. Der Mietmarkt ist längst zu einer Lotterie geworden. Und wenn Bürgerinnen und Bürger unter steigenden Mieten leiden, leidet auch die lokale Wirtschaft. Freiburger Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten neue Mitarbeiter zu finden und Arbeitnehmerinnen schrecken vor einem Jobwechsel zurück, wenn damit eine Wohnungssuche verbunden ist.

Aber was fordern CDU und FDP? Weniger Sozialwohnungen und mehr Neubau im Eigentum, obwohl sie genau wissen, dass die Kauf- und Mietpreise von Neubauwohnungen immer deutlich höher liegen als die Bestandsmieten. Diese Kluft wird auch immer größer. Für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt wäre es daher fatal, wenn diese Forderungen mehrheitsfähig wären.

Die vorgelegte Halbzeitbilanz zeigt: Wir haben Fortschritte gemacht – aber die Krise bleibt. Wohnungsnot trifft längst die Mitte der Gesellschaft. Dank der Stadtbau wächst der Sozialwohnungsbestand gegen den Bundestrend. Und wir wissen, wie die Halbzeitbilanz aussähe, wäre die Stadtbau vor fast 20 Jahren doch verkauft worden. Keine schöne Vorstellung.

Aber dennoch: Sanierungen und Abrisse fressen günstige Mieten, Wohnungslosenunterkünfte sind chronisch überlastet. Die Stadtbau stemmt die Last fast allein – während private Investoren sich drücken und Bund und Land nicht liefern:

• Wirksame Mietpreisbremse – Fehlanzeige
• Schärfung des Mietrechts bei Mietwucher und Mietpreisüberhöhung – Fehlanzeige
• Stärkere Position der Mieter:innen bei fingiertem Eigenbedarf – Fehlanzeige
• Bedarfsgerechte Anpassung der Förderkredite an die aktuellen Baukosten – Fehlanzeige

Stattdessen fließen Milliarden an Steuergeldern als Wohngeld in die Taschen privater Vermieter und großer Wohnungskonzerne.

Obwohl der Handlungsdruck offensichtlich ist, lassen wechselnd grün, schwarz und rot geführte Bundes- und Landesregierungen die Kommunen bei ihren Bemühungen im Stich. Und aus diesem Grund ist auch die Diskussion der letzten zwei Wochen hier im Gemeinderat zur Halbzeitbilanz, in denen gesagt wurde, wir müssten genau schauen, welches Preisschild an den Maßnahmen hänge, irreführend. Wenn Bund und Land ihre Hausausgaben in den letzten Jahrzehnten gemacht hätten, wäre das kommunale Preisschild bei allen aufgeführten Maßnahmen in der vorliegenden Drucksache deutlich geringer.

Ohne Zweifel ist Freiburg erfolgreicher in der Schaffung bezahlbaren Wohnraums als andere Städte. Aber wir finden, das die ein oder andere kommunale Stellschraube fester gedreht werden muss, damit Freiburg nicht hinter seinen Möglichkeiten bleibt. Unsere Anträge zielen genau auf diese Stellschrauben ab:

  1. Wir fordern die Einrichtung einer Onlineplattform zur Meldung von Zweckentfremdung, Leerstand, Mietwucher und Mietpreisüberhöhung. Aktuell sind solche Angebote auf der Webseite der Stadt nur umständlich und an verschiedenen Stellen dargestellt.
  2. Wir fordern die Erweiterung der Wohnungstauschbörse der Stadtbau, um das Angebot einer quadratmeter-gleichen oder quadratmeter-gedämpften Miete. Denn Wohnungstauschbörsen funktionieren vor allem dann, wenn die Quadratmetermiete in der alten und neuen Wohnung gleich oder zumindest ähnlich ist.
  3. Wir fordern, dass Mehrraumwohnungen, die als WGs genutzt werden, Teil des Mietspiegels werden. Nach aktueller Rechtsprechung ist das möglich und wir verweisen auf die gute Praxis der Stadt Frankfurt am Main.
  4. Und wir wollen eine Prüfung, wie die städtische „Potenzialanalyse Dachausbau“ in die konkrete Umsetzung kommen kann und wie private Eigentümer:innen beim Dachausbau unterstützt werden können. Die Potenzialanalyse Dachausbau sollte in der städtischen Wohnungspolitik eine größere Rolle spielen und mit ihren Ergebnissen und Erkenntnissen in die weitere Debatte und Planung aktiv einbezogen werden.

Wir freuen uns sehr über die breite Zustimmung zu unseren Anträgen und wir freuen uns vor allem für die Mieterinnen und Mieter in Freiburg, die aller Voraussicht nach von diesen Maßnahmen profitieren werden. Vor allem zeigt es, dass Freiburg doch mehr tun kann für bezahlbaren Wohnraum.

Wir haben jetzt die Chance, mit diesen kleinen, aber wirksamen Schritten mehr für Mieterinnen und Mieter zu tun, die jeden Monat bangen, ob sie die nächste Mieterhöhung stemmen können; für Familien, die in überteuerten Wohnungen leben müssen, weil es keine Alternative gibt. Die Anträge, über die wir heute abstimmen, sind kein Selbstzweck. Sie sind ein Signal: Freiburg handelt. Nicht morgen, nicht irgendwann – sondern jetzt.

Vielen Dank!