Guter Ganztag braucht mehr als Räume – Qualität sichern, Personal stärken

Emriye Gül

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Buchheit,

liebe Anwesende,

mit dem im Jahr 2021 beschlossenen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab dem Schuljahr 26/27 hat die damalige Bundesregierung einen bedeutenden Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf unternommen.

Doch so richtig und notwendig dieser Schritt war – er stellt Länder und Kommunen vor große strukturelle, personelle und finanzielle Herausforderungen.

Freiburg hebt sich im Bundes- wie Landesvergleich positiv hervor: Schon lange vor dem gesetzlichen Anspruch haben wir freiwillig in den Ausbau von Ganztagsangeboten investiert und diese kontinuierlich weiterentwickelt. Dafür gebührt der Verwaltung ein ausdrückliches Lob!

Trotzdem bleibt die Realität herausfordernd: Der Ausbau gelingt nicht ohne ausreichende und geeignete Räumlichkeiten und Flächen. Mensen, Fachräume und auch Ruhebereiche – der Rechtsanspruch wird flächendeckende bauliche Lösungen erfordern. Containerlösungen und Übergangsszenarien werden unvermeidlich sein, aber sie dürfen kein Dauerzustand bleiben. Was wir brauchen, ist Mut zur pragmatischen Umsetzung – kombiniert mit einem klaren Plan zur baulichen Verstetigung.

Hier liegt die vielleicht größte Herausforderung: Die Fördermittel von Bund und Land konzentrieren sich bislang vor allem auf Baukosten. Doch ein guter Ganztag besteht nicht nur aus Beton. Guter Ganztag braucht Menschen, Konzepte und Qualität. Neben dem Raumproblem ist der Mangel an pädagogischem Personal besonders kritisch.

Auch wenn Freiburg heute vergleichsweise gut dasteht –trotz Quereinsteiger:innen, Pensionär:innen und Nachwuchs aus dem Lehramtsreferendariat bleibt die Personallage angespannt. Laut aktueller Drucksache fehlen bis zu 50 Vollzeitäquivalente, um die vermuteten zusätzlichen Betreuungsplätze adäquat zu bedienen. Besonders betroffen sind Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen und weitere pädagogische Fachkräfte. Wenn wir dieses System dauerhaft tragfähig gestalten wollen, braucht es Investitionen in Ausbildung und Qualifizierung, Tarifbindung und gute Arbeitsbedingungen, sowie eine strategische Personalentwicklung.

Internationale Studien, wie die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ – zeigen: Ganztagsangebote entfalten ihre Wirkung nur dann, wenn sie qualitativ hochwertig sind. Es geht nicht um bloße Betreuung bis in den Nachmittag – sondern um pädagogisch sinnvolle gestaltete Lernzeit.

Entscheidend sind verlässliche Strukturen, professionelle Begleitung und die individuelle Förderung – mit einem Wort: pädagogische Qualität. Das sind Faktoren, die Bildungserfolg ermöglichen. Bund und Länder dürfen die Kommunen hier nicht allein lassen. Es braucht eine strukturelle und verlässliche Finanzierung. Hier stehen vor allem die Regierungsparteien in der Pflicht, dieses auch an oberster Stelle durchzusetzen!

Freiburg wird den Ausbau des Ganztags aktiv und verantwortungsvoll weiter gestalten. Ein zentraler Schwerpunkt ist dabei für uns die gezielte Begleitung und Unterstützung der Grundschulen auf dem Weg zu gebundenen Ganztagsschulen. Die im Jahr 2023 eingeführte gesetzliche Möglichkeit, eine kommunale Anordnung zur Umstellung auf Ganztagsbetrieb vorzunehmen, betrachten wir dabei als letztes Mittel, nicht als ersten Impuls. Unser Ansatz ist ganz klar: Wir setzen auf Dialog, Partnerschaft und gemeinsame Lösungen.