Die Frauenbeauftragte und die Leiterin der Kotaktstelle Frau und Beruf zogen in der Gemeinderatssitzung am 14. Juli eine Resümee ihrer facettenreichen Arbeit des letzten Jahres und gaben Ihre Einschätzung ab darüber, was ansteht. Viele Gleichstellungsthemen „beackern“ sie schon Jahre oder Jahrzehnte. Allen voran den Gewaltschutz für Frauen* und Mädchen*, bei dem wir 2019 durch die Änderung des Frauen*NachtTaxis in ein Ruftaxi, einen ganz wesentlichen Schritt vorangekommen sind, weil es jetzt tatsächlich intensiv genutzt wird. Hingegen ist die häusliche Gewalt erschreckend hoch an Opfern, weshalb unsere Fraktion nun dringend auf ein Präventionskonzept besteht. Ein weites Feld ist auch die existenzsichernde Erwerbsarbeit von Frauen*, die nur bei Paaren mit Kindern gelingt, wenn die unbezahlten Tätigkeiten für die Familie, kurz Care-Arbeit genannt, gleich verteilt werden. Das Problem der schlechter bezahlten Berufe, die zumeist Frauen* ergreifen, ist damit jedoch nicht geknackt. Dass sich hier absehbar etwas ändern muss – „Klatschen reicht nicht!“ – hat die Gesellschaft mit Corona erkannt. Breiten Kreisen wurde deutlich, dass in den „system-relevanten Berufen“ überwiegend Frauen* arbeiten, aber dafür kein leistungsgerechtes Gehalt bekommen.
Überhaupt kam in der Pandemie heftigst zum Ausdruck, wie sehr die politischen und wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf verhindern. Und wer deshalb in der Krise ganz schnell den Kürzeren zieht. Hätten beide Elternteile eine 30 Stunden Vollzeitstelle während der Familienphase und wären die Einkommen beider in etwa gleich hoch, wäre im lock down die Kinder- und Schulbetreuung, das Mehr an Kochen und Putzen nicht überwiegend an den Frauen* hängengeblieben – die ja nach wie vor mehrheit-lich nur in Teilzeit berufstätig sind. Oder – wie das Beispiel der Küchenhilfen von Caterern für Kita- und Schulessen zeigt – werden Frauen* einfach gekündigt, weil es für Mini-Jobs kein Kurzarbeiter*innen-Geld gibt.
Ohne die lock down Maßnahmen als solche in Frage stellen zu wollen, darf sich eine derart radikale Schließung von Kitas nicht wiederholen, wenn die Politik ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren will. Bestehende Rechtsansprüche dürfen kein 2. Mal übergangen werden. Deshalb hat Irene Vogel, Unabhängige Frauen, in ihrer Rede an die Stadtspitze appelliert, alternative Konzepte der Kinderbetreuung zu entwickeln, auch wenn diese unweigerlich teuer werden.
Überhaupt kann es kein „weiter so“ geben. In vielen Bereichen haben sich die Bedingungen verändert. Wenn wir zukunftsfest aus der Krise kommen wollen, muss die Stadt jetzt mehr als nur die finanziellen Auswirkungen der Pandemie angehen – unter Geschlechter- und Vielfaltsaspekten.
[Amtsblattartikel vom 20.07.2020]