Angelinas Rede zur Erweiterung des Berthold-Gymnasiums

Portrait Angelina Flaig

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Anwesende,

es steht für uns außer Frage, dass es an den Freiburger Gymnasien derzeit zu wenig Kapazitäten für die ständig wachsenden Schüler*innenzahlen gibt. Die Entscheidung, welches Gymnasium erweitert bzw. ob ein neues gebaut wird, darf jedoch nicht leichtfertig getroffen werden.

Eine Erweiterung des Bertold-Gymnasiums ist zwar am schnellsten umsetzbar, jedoch keinesfalls die beste Lösung. Damit soll die gute Entwicklung, die das BG in der letzten Zeit  durchlaufen hat, keinesfalls abgemildert werden. Doch ist es zwingend erforderlich, eine solche Entscheidung unter gesamtstädtischer Perspektive zu treffen. Wenn man sich Freiburgs Schullandschaft anschaut, muss man unweigerlich feststellen, dass im Osten bereits sechs Gymnasien beheimatet sind, wohingegen der Westen gerade mal drei solcher Schulen hat. Dieses bildungspolitische Ungleichgewicht innerhalb unserer Stadt wollen wir nicht weiter bestärken.

Die Schulen im Westen müssen häufig Schülerinnen und Schüler abweisen. Dass sich dies auch in den kommenden Jahren nicht ändern wird, sondern sich ziemlich wahrscheinlich weiter zuspitzt, darauf lassen die vielen anstehenden Bauprojekte im Westen schließen – man denke beispielsweise an die Bebauung Stühlinger West. Uns wurde entgegengehalten, dass die Schülerinnen und Schüler aus den westlichen Stadtteilen jedoch problemlos mit der Straßenbahn an die Schulstandorte im Osten gelangen können. Das ist nicht falsch, aber auch nicht zwingend erforderlich. Denn wir planen gerade einen Ausbau der gymnasialen Strukturen in Freiburg. Wir sehen keinen plausiblen Grund, diesen Ausbau im Osten voranzutreiben und den Schülerinnen und Schülern aus dem Westen weite Fahrwege zuzumuten. Es geht auch anders!

Wir beantragen deshalb, auf die BG-Erweiterung zu verzichten und ein zweizügiges Gymnasium in Weingarten zu verwirklichen.

Weingarten gehört zu den einwohnerstärksten Stadtteilen in Freiburg und hat keine einzige weiterführende Schule. Eine weiterführende Schule ist aber definitiv kein nice to have, vor allem nicht für Weingarten.

Uns wurde vielfach berichtet, dass Schülerinnen und Schüler aus Weingarten aufgrund ihres Wohnortes diskriminiert und aufgezogen werden. Dass sie sich teilweise sogar so sehr dafür schämen, dass sie niemandem verraten, wo sie wohnen. Dies können wir den Jugendlichen doch nicht zumuten. Und wir werden diese Problematik auch nicht so leicht lösen können. Mit einem Gymnasium in Weingarten allerdings würden wir diesen Jugendlichen eine ganz neue Perspektive in ihrem Stadtteil geben. Und dadurch, dass Schülerinnen und Schüler aus anderen Stadtteilen nach Weingarten kommen würden, um dort beschult zu werden, würde sich mit Sicherheit die Sicht auf den Stadtteil ändern. Damit wäre unglaublich viel gewonnen für den Stadtteil und für die Bildungsgerechtigkeit in unserer Stadt.

Zudem könnte eine intensive Zusammenarbeit zwischen der Adolf-Reichwein-Schule und dem neuen Gymnasium dazu führen, dass die Kinder für sich andere Bildungsperspektiven für möglich halten und anstreben.

Außerdem kann diese Schule mit Projekten und Veranstaltungen in den Stadtteil hineinwirken. Sie sehen, es geht um viel mehr als nur um die Schaffung neuer Schulplätze. Es geht darum, einen Stadtteil, der lange viel zu kurz gekommen ist, zu mehr Anerkennung zu verhelfen, den Schülerinnen und Schülern eine geeignete Perspektive zu geben und den Westen aus seiner bildungspolitischen Vernachlässigung zu holen. Die Initiative aus Weingarten, die für ein Gymnasium in ihrem Stadtteil kämpft, hat die damit verbundenen Chancen ebenfalls erkannt und mit ihrer Unterschriftensammlung gezeigt, dass viele Bewohnerinnen und Bewohner sich eine weiterführende Schule in ihrem Stadtteil wünschen.

Den beschriebenen Mehrwert erreichen wir mit der BG-Erweiterung nicht. Und ja, Sie werden sagen, dass der Bau eines Gymnasiums in Weingarten länger dauert und teurer wird. Aber dieses Geld ist nirgendwo besser investiert. Und wenn die Entscheidung für ein Gymnasium in Weingarten dazu führt, dass wir nicht schnell genug ausreichend Schulplätze schaffen können, dann müssen die Schülerinnen und Schüler eben übergangsweise in Containern unterrichtet werden. Jetzt das BG zu erweitern, mag kurzfristig sinnvoll erscheinen, aber nachhaltig ist diese Lösung nicht. Denn die Chancen, die wir jetzt mit einem Neubau in Weingarten haben, würden wir erstmal für etliche Jahre verspielen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.