Aufsetzungsantrag nach § 34 GemO für die jeweils nächste Sitzung des ASW, KJHA und MiA
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Horn,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Buchheit,
sehr geehrter Herr EBM von Kirchbach,
hiermit bitten wir um Aufsetzung des Themas „Bildungsbenachteiligung und Chancengerechtigkeit u.a. in Weingarten!“ für den Ausschuss Schule und Weiterbildung, den KJHA und den Migrationsausschuss und stellen dazu folgende Anfragen bzw. Anträge:
1. Bildungsbericht: Wir beantragen, dass der nächste Bildungsbericht der Stadt Freiburg sich grundlegend mit den Ursachen, Hintergründen, Auswirkungen und möglichen zielführenden Strategien sowie lösungsorientierten Konzepten zur Überwindung von Bildungsbenachteiligung und Chancenungleichheiten befasst. Hierfür sind sozialraumorientierte, lebensweltliche und bildungsbiographische Daten, Fakten und Wirkungszusammenhänge quantitativ und qualitativ zu untersuchen, zu interpretieren und zur Diskussion zu stellen. Hierfür ist u.a. ein kontinuierliches Bildungsmonitoring zu Bildungsbenachteiligung zu installieren.
2. Fachtag: Wir beantragen, dass in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule, der Evangelischen und der Katholischen Hochschule im ersten Halbjahr 2025 eine Fachtagung zu diesem Themenkomplex durchgeführt wird. Vorbereitung und Durchführung dieser Fachtagung sollte der „Stabsstelle Freiburger Bildungsmanagement“ übertragen werden.
3. Bildungsnetzwerk Weingarten: Wir beantragen, noch vor Beginn der Beratungen des Doppelhaushaltes 2025/26 exemplarisch für den Stadtteil Weingarten ein stadtteilbezogenes „Bildungsnetzwerk Weingarten“ einzuberufen. Daran sollen alle an den Bildungs-, Entwicklungs- und Erziehungsprozessen beteiligten Akteur:innen im Stadtteil einbezogen werden. Neben den klassischen Bildungsträgern und -einrichtungen (allen voran Elternvertretungen, Kitas, Schule, Jugi, EH etc.) sind auch wichtige Akteure der sozialen und informellen alltäglichen Helfersysteme, z.B. soziale und kulturelle Stadtteilinitiativen und -vereine, Migrant:innenorganisationen, Ärzt:innen, Quartiersarbeit, Sozialstationen, alltägliche Anlaufstationen, wie Hebammen, Pfarrer:innen, Stadtbau/Hausmeister:innen, Arbeitslosenberatung, Spinnwebe etc.) einzubeziehen. Es geht um gemeinsame Analysen, die Entfaltung von gemeinsamen Perspektiven und Zielen, eine optimale Kenntnis der vorhandenen Ressourcen und Angebote, das Anstreben von Synergieeffekten und die optimale Gestaltung von Bildungsbegleitung in den Übergängen verschiedener Entwicklungsstufen. Last but not least sollen konkrete Vorschläge zur Umsetzung geeigneter Maßnahmen entwickelt werden, die ggf. auch noch in die Haushaltsberatungen einfließen können.
Federführend sollte auch hier die Stabsstelle Freiburger Bildungsmanagement sein.
4. Datengrundlage für Beratung schaffen: Wir beantragen, in Vorbereitung dieser thematischen Beratungen im Ausschuss für Schule und Weiterbildung in einer Vorlage darzulegen, wie viele Kinder nach bisherigem Kenntnisstand in den Stadtteilen Weingarten, Landwasser, Haslach und Brühl-Beurbarung von Bildungsbenachteiligung betroffen sind. Soweit es möglich ist, sollten differenziert die kulturellen, sozioökonomischen und migrationsbezogenen Hintergründe der Kinder dargelegt werden. Ausdrücklich sollen dabei nicht nur die Kinder und Jugendlichen betrachtet werden, die auf Gymnasien gehen. Vielmehr sind alle weiterführenden Schulsysteme zu berücksichtigen.
5. Fördermöglichkeiten eruieren und ausschöpfen: Wir bitten um Information, wie die laufenden und/oder demnächst beginnenden Programme der Landes- und Bundesregierung (z.B. „Startchancen“) hier bereits greifen, bzw. wann sie, in welcher Weise und in welchen Stadtteilen künftig eingesetzt werden können.
Begründung:
Bildungsbenachteiligung bzw. Chancenungleichheit finden immer wieder, aber spätestens jeweils nach Veröffentlichung der stets aufs Neue, aus deutscher Sicht, desaströsen PISA-Bilanzen für kurze Zeit Aufmerksamkeit in den Medien und in der Politik. Grundlegend hat sich aber seit Jahrzehnten nichts geändert. Noch immer hängt in Deutschland der Bildungserfolg, wie in kaum einem anderen Land, von der Herkunft ab. Betroffen sind vor allem Kinder und Familien aus Armutsmilieus, mit sozio-ökonomisch niedrigem Status, mit Migrationshintergrund und einem benachteiligenden Umfeld.
Trotz vielfältiger Initiativen, Anregungen und Angeboten ist es auch in Freiburg in den letzten Jahrzehnten nicht wirklich gelungen, signifikant auffällige Bildungsproblembezirke nachhaltig auf einen erfolgversprechenden Weg zu bringen. Dies wird sowohl in der Sozialberichterstattung als auch in den Bildungsberichten ersichtlich. Es ist nicht nur wichtig, neue Wege in der elementaren frühkindlichen Bildung, insbesondere durch eine kontinuierliche, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern, aber auch durch individuelle Förderung und Begleitung der Kinder zu gehen. In der frühesten Kindheit werden wichtige Weichen gestellt, die oftmals später kaum mehr reparabel sind. Notwendig ist insbesondere auch eine nachhaltige Übergangsbegleitung, insbesondere vor, in und nach der Grundschule. Diese sind freilich bis zur Beendigung der Schule bzw. einer Ausbildung fortzusetzen. Alle Maßnahmen, die darauf abzielen, Ressourcen zu entfalten, sie synergetisch zu bündeln sowie strukturelle und aufs Individuum bezogene Anregungen und Unterstützungen sind hilfreich. Losgelöste Einzelmaßnahmen sind zum Scheitern verurteilt.
Im Sinne einer Ressourcenorientierung wird es auch wichtig sein, für die Kinder und Jugendlichen mit nichtdeutscher Herkunftssprache und Zuwanderungshintergrund, in die Schulcurricula geradezu selbstverständlich auch kulturelle, wirtschaftliche und politische Unterrichtsinhalte bezüglich wichtiger Herkunftsländer und selbstverständlich auch deren Sprache als Unterrichtssprache mit anzubieten.
Erfolgversprechend erscheint allerdings nur ein Mix aus verschiedenen Handlungsansätzen, basierend auf längst vorhandene Netzwerken und Einrichtungen, in enger Zusammenarbeit mit allen wichtigen Akteur:innen in der Stadt sowie in den Stadtteilen, gestützt auf wissenschaftlich fundierten Daten, Fakten und Best Practice Modellen aus Wissenschaft und Praxis. Um diese Wege gemeinsam beschreiten zu können, stellen wir die vorliegenden Anträge und Anfragen. Dahin zu kommen wird nicht einfach sein, aber mit diesen vorgeschlagenen Maßnahmen könnten grundlegende Weichen gestellt werden.
Vielen Danke vorab und beste Grüße
Emriye Gül, Prof. Dr. Günter Rausch, Irene Vogel
Für die Fraktion „Eine Stadt für alle“