Europaviertel neu denken: Bestandserhalt statt Abriss

Es gibt zweifellos attraktivere Orte in Freiburg als das Europaviertel, insbesondere die markante Ecke gegenüber dem Hauptbahnhof. Seit Jahren herrscht hier Stillstand, während der Bismarckturm von außen wie von innen wenig einladend wirkt. 2010/2011 fand ein Wettbewerb zur Neugestaltung statt, doch konkrete Umsetzungen blieben aus. Jetzt ist es an der Zeit, neue Impulse zu setzen.

Neuer Wettbewerb mit Fokus auf Bestandserhalt

Was es braucht, ist ein neuer Wettbewerb zur zeitgemäßen Umgestaltung dieser prominenten Lage. Dabei muss der Erhalt der bestehenden Bausubstanz eine zentrale Rolle spielen. Denn bei genauerem Hinsehen besitzt die Fassade durchaus gestalterischen Reiz. Eine umfassende energetische Sanierung ist natürlich unumgänglich. Abriss und Neubau sind aus ökologischer Sicht kaum noch vertretbar. Gerade in Zeiten von Ressourcenknappheit und Klimawandel ist das Thema „Graue Energie“ relevanter denn je. Die im Bestand gebundenen Ressourcen zu erhalten, statt neue Emissionen durch Abriss und Neubau zu verursachen, sollte oberste Priorität haben. Nachhaltigkeit beginnt mit der Wertschätzung dessen, was bereits existiert.

Sinnvolle Nutzungskonzepte sind gefragt

Auch die künftige Nutzung der Gebäude muss hinterfragt werden. Braucht Freiburg an dieser Stelle wirklich noch ein Hotel? Die Stadt hat in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Hotelbetten hinzugewonnen, sodass hier aktuell kein Bedarf besteht. Auch neue Büro- und Einzelhandelsflächen sollten kritisch betrachtet werden, denn zusätzlicher Leerstand droht, wenn das Angebot weiter anwächst, ohne dass eine entsprechende Nachfrage besteht. Stattdessen sollte der Fokus auf dringend benötigtem Wohnraum liegen. Freiburg leidet unter einer massiven Wohnungsnot, und gerade innenstadtnahe Lagen wie das Europaviertel bieten Potenzial für innovative Wohnkonzepte. Hier könnten bezahlbare Wohnungen, alternative Wohnformen oder auch kombinierte Wohn- und Arbeitsräume entstehen, die das Viertel beleben und sinnvoll ergänzen.

Eine Initiative für nachhaltige Stadtentwicklung

Ein Umdenken im Europaviertel kann nur gelingen, wenn Politik, Stadtgesellschaft und Fachleute zusammenarbeiten. Die Initiative „Perspektive Europaviertel“ setzt sich genau dafür ein: für eine zukunftsfähige, nachhaltige und sozial gerechte Stadtentwicklung. Sie fordert, dass die Weiterentwicklung dieses wichtigen Quartiers nicht allein von Investor*inneninteressen bestimmt wird, sondern die Bedürfnisse der Stadtbewohner*innen in den Mittelpunkt rückt. Freiburg braucht keine weiteren Hotelbetten oder leerstehende Gewerbeflächen – Freiburg braucht eine lebendige, sozial gemischte und nachhaltige Stadtentwicklung. Jetzt ist die Zeit, das Europaviertel mit mehr Gestaltungsphantasie neu zu denken!