Felix‘ Rede zur Kürzung des Vollzugsdienstes

Portrait Flix Beuter

Herr Oberbürgermeister,

liebe Anwesende,

man muss wirklich sagen: Das Säbelrasseln im Vorfeld des heutigen Beschlusses war in seiner Dramatik tatsächlich beeindruckend. Die Stadtspitze malt immer noch und noch fürchterlichere Schreckensszenarien von geradezu apokalyptischen Zuständen und einem völligen Tod des Nachtlebens, wenn der VD um 6 Stellen gekürzt wird und damit auch die letzte verblieben Bastion des Friedens in Freiburg fallen würde.

Untermalt wird das Ganze von einer breiten Kampagne der BZ, die jede noch so erwartbare Äußerung pro VD als große Meldung verkauft, lange Doppelinterviews mit OB und Polizeipräsidenten abdruckt, in denen sie zwar das kritische Nachfragen vergessen hat, aber sich dafür als umso bessere Stichwortgeberin präsentiert und das Ganze mit Kommentaren garniert, bei denen man sich fragt, welcher Praktikant das eigentlich in der Mittagspause zusammengeklöppelt hat?

Und auch die Bürgervereine laufen Sturm. Naja also nicht alle, manche haben sich auch über ihre Vereinnahmung durch die Schreiben des AFB beschwert, aber mit solchen nebensächlichen Details sollten wir uns da nicht aufhalten. Also: Die Bürgervereine laufen Sturm und damit sollte doch ein für alle Mal bewiesen sein, was der – und so lassen sie sich zitieren – „deutlich artikulierte Willen der Bürgerinnen und Bürger“ ist. Auch Handel und Gastronomien aus der Innenstadt meldeten sich zu Wort, aber natürlich geht es ihnen nicht um ihre Geschäfte, sondern ausschließlich um unser aller Sicherheit. Vor 10 Tagen wurde dann nochmal ein Schreiben nachgeschoben, das klarmachen sollte, das selbstverständlich das eigentliche Thema die Sicherheit von Frauen ist. Auch in diesem so genannten Frauenbrief geht es zwar in 9 von 10 Zeilen darum, dass „Handel, Gastronomie und Hotellerie für eine gute Entwicklung eine saubere und sichere Umgebung brauchen“ und um Klagen von Anwohner*innen über Lärm aber in einem Absatz gibt es zumindest wage verweise auf Sexualstraftaten und spätestens damit sollte ja klar sein, dass alle, die für eine Kürzung des VDs sind, sich einfach nicht für die Sicherheit von Frauen interessieren.

Komisch ist dann nur, dass als Reaktion darauf ein Zusammenschluss aus verschiedenen Frauenpolitischen und Queeren Gruppen ein Schreiben veröffentlicht hat, in dem sie der Darstellung durch die Bürgervereine massiv widersprechen. Und in diesem Brief geht es dann auch tatsächlich um die Sicherheit von Frauen* und diese verkommt nicht zu einer Staffage. Aus diesem Schreiben möchte ich kurz zitieren: „Im Brief [der Bürgervereine] wird vermeintlich aus Sicht „der Frauen“ geschrieben. Doch wir als Feminist*innen, als Frauen, Lesben, Inter, Trans*, Nonbinary-Personen (FLINT*) sagen: Das gilt nicht für uns! Hier wird bei Weitem nicht für alle Frauen gesprochen! Mit diesem Brief wollen wir aufzeigen, dass die Kürzung oder Abschaffung des Vollzugdiensts weder frauenfeindlich ist und der Vollzugsdienst längst nicht der Sicherheit aller FLINT* in Freiburg dient.

Nun haben wir ja aber das Glück, dass die Einschätzung des VDs erst im letzten Jahr wissenschaftlich untersucht wurde. Daher lassen sie mich Ihnen noch einmal die FIFAS-Untersuchung im Rahmen der so genannten Evaluation der Sicherheitspartnerschaft ins Gedächtnis rufen. Allein schon 50% der Befragten sind der Meinung, dass es besser wäre, wenn sich nur die Polizei um die Sicherheit kümmern würde. Während die Anwesenheit von Polizei bei immerhin 83% ein zumindest schwaches Sicherheitsgefühl hervorruft, ist das beim VD nur noch für die Hälfte der Fall. Gleichzeitig geben aber auch nur 47% an, dass die Präsenz des VD bei ihnen kein Unbehagen auslöst.

Für die tatsächliche Kommunikation mit dem VD berichtet über die Hälfte von negativen Erfahrungen, allen schönen Reden vom Freiburger Weg und lustigen gemeinsamen Wandertagen mit Stadträtinnen und -räten zum Trotz. Und das gilt nicht nur für die Menschen, die vom VD sanktioniert wurden, sondern alle Kontakte, also auch die, bei denen Menschen Hilfe oder eine Auskunft erbeten haben.

Ganz anders sieht es aus, wenn man nach nicht polizeilichen Maßnahmen fragt. Einen Ausbau des nächtlichen ÖPNV und die Einführung des Frauennachttaxis empfinden 90% als sinnvoll und auch für zukünftige Maßnahmen überzeugen Gewaltprävention für Jugendliche, mehr Straßensozialarbeit und Ausbau nächtlicher Beleuchtung mehr als 90%. Beratungs-, Bildungs- und Infrastrukturmaßnahmen werden insgesamt einhellig befürwortet und allen hoheitlichen Maßnahmen klar vorgezogen. Aber wenn solche Maßnahmen nicht die eigene Ideologie befriedigen und sich auf Plakaten und in Pressemitteilungen nicht so reißerisch lesen, verlieren viele Fraktionen leider auf einmal ganz schnell ihr Interesse am doch so heiligen Sicherheitsgefühl.

Sexualisierte Gewalt hat tatsächlich sehr negative Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl und wir sind sehr daran interessiert hier zu Verbesserungen beizutragen. Daher stellen wir seit Jahren und Jahrzehnten genau die Forderungen, wie sie auch in dem Frauenbrief, der den Namen tatsächlich verdient, formuliert werden: Erhalt und Ausbau der Unterstützungsstrukturen gegen Gewalt an Frauen* und Mädchen*, Veranstaltungen, die sich mit Themen wie Vergewaltigungsdrogen, Catcalling und Rechten und Hilfe bei häuslicher Gewalt auseinander setzen, Awareness-Teams in Clubs, kritische Auseinandersetzung mit Männlichkeit in pädagogischen Einrichtungen und bessere finanzielle Unterstützung von Schutzräumen. Diese Liste könnte noch lange fortgeführt werden. Das hätte aber wohl keinen Sinn, denn ist es ist noch nicht allzu lange her, dass in der zweiten Lesung diejenigen, die sich jetzt zu den Rettern der Frauen aufschwingen, fast schon empört unseren Antrag für die Awareness-Programme des Vereins Samt&Sonders zurückgewiesen haben, die einen nachhaltigen, kollektiv getragenen und selbstbestimmten Beitrag zur Sicherheit von Frauen leisten. Aber wer will das schon hören, wenn es nicht bedeutet, einfach mehr Uniformen auf die Straße zu schicken.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.