Seit einem Monat liegt der Haushaltsentwurf für 2021/22 vor. Uns stellen sich dazu zahlreiche Fragen, die öffentlich diskutiert werden sollten. Die Bürgermeister sprechen in ihren Haushaltsreden von einem „strukturellen Defizit“ Freiburgs. Dieses Defizit soll jetzt neben den aktuellen Sparmaßnahmen auch die Aufhebung bereits gefasster Beschlüsse des Gemeinderats rechtfertigen. Dies sei nur der „Vorgeschmack“ für „viele schmerzhafte Entscheidungen“ (Horn) in den kommenden Jahren. Wir fragen uns, woher die Verwaltung die Entwicklung von Ausgaben und Einnahmen in den kommenden Jahren kennt, wenn nicht einmal für die nächsten 2 Jahre einigermaßen belastbare Zahlen vorliegen.
Strukturelles Defizit oder Kürzungswelle?
Von einem „strukturellen Defizit“ müsste man dann sprechen, wenn auch ohne die Auswirkungen der Corona-Krise mit einem wachsenden Haushaltsdefizit zu rechnen wäre. Wir fragen uns, ob dies eine richtige Bewertung der Finanzkraft Freiburgs darstellt. Alle wirtschaftlichen Eckdaten sprechen für eine stabile Entwicklung Freiburgs: Mehr Einwohnerinnen, mehr Arbeitsplätze, mehr Einnahmen und steigende Gewerbesteuereinnahmen. Wenn wir es 2020-2022 mit einer „pandemiebedingten Sondersituation“ zu tun haben, weshalb sollten Verwaltung und Gemeinderat dann in einen aufwendigen „Konsolidierungsprozess“ einsteigen, u.a. bei „Personalkosten, Standards am Bau und freiwilligen Leistungen“, so BM Breiter?
Nachhaltige und soziale Stadtentwicklung nicht gefährden!
Wir befürchten, dass alles, was jetzt gekürzt und gestrichen wird, es sehr schwer haben wird, wieder in einen Haushaltsplan aufgenommen zu werden. Und das nach oft jahrelangen Bemühungen innerhalb und außerhalb des Gemeinderats. Das gilt u.a. für die 2,5% jährliche Erhöhung der Zuschüsse für den freien Kulturbereich, die Berücksichtigung von beschlossenen Lohn- und Gehaltssteigerungen bei den Personalkostenzuschüssen, den weiteren Ausbau der Betreuung in den Grundschulen und der Schulsozialarbeit und das Außenbecken im Westbad. Alles gestrichen!
Wir hoffen darauf, dass die Bürgerinnen Freiburgs sich an den anstehenden Diskussionen beteiligen. Es geht möglicherweise um viel mehr als einen durch Corona bedingten Ausnahmehaushalt. Es geht um die Frage, unter welchen Bedingungen Freiburg wächst. Die Ärmeren in dieser Stadt sind es, die auf die öffentlichen Leistungen in ganz besonderer Weise angewiesen sind. Sie sind es auch, die durch Corona ganz besonders gebeutelt werden. Jetzt auch noch im Sozial-, Kultur- und Bildungsbereich zu sparen, ist der falsche Weg.
(Michael Moos)