Kein Rütteln an Fußball- und Fankultur

Zunächst einmal darf ich der Verwaltung im Namen unserer Fraktion ein Lob aussprechen und mich selbst auch ein Stück weit korrigieren. In meiner Rede zum ursprünglichen Beschluss der Stadionverordnung habe ich gesagt, dass einmal getroffene Regelungen nicht zurückgenommen werden würden. Da hat die Verwaltung nun das Gegenteil bewiesen und es freut unsere Fraktion sehr, dass die Vorlage eine Herausnahme des Wolfsbucks aus dem Geltungsbereich der Verordnung vorsieht. Man könnte fast meinen, das damalige Drama um unsere Anträge mit genau diesem Ziel – inklusive zwischenzeitlicher Absetzung des Themas durch den Oberbürgermeister – wäre ein bisschen unangebracht gewesen, aber sei´s drum.

Leider ist die Einsicht der Verwaltung auf den Geltungsbereich bezogen und wenn es um den zweiten großen Knackpunkt der Verordnung geht, also das Besteigen von Zäunen innerhalb des Stadions, bleibt die Verwaltung im Kernpunkt gegen die berechtigten Forderungen der Fanszene und gegen einen bereits getroffenen Beschluss des Gemeinderats hartnäckig.

Zwar gibt die heutige Vorlage den Hinweis, dass das „Hochklettern am Zaun zum Anbringen oder Einholen von Fahnen und Spruchbändern, zum Torjubel sowie zum Abfeiern der eigenen Mannschaft“ nicht mit einem Bußgeld geahndet werden soll, im Zentrum der Kritik der organisierten Fans steht aber im Gegensatz dazu eben das kontrollierte und dauerhafte Verbleiben einzelner Funktionsträger*innen.

Das Besteigen von Zäunen durch sogenannte Vorsänger*innen zur Koordination des Supports der eigenen Mannschaft stellt nun mal eine etablierte, stadiontypische und an allen Bundesligastandorte gängige fankulturelle Praxis dar. Die Rückmeldungen aus der Fanszene besagen auch, dass Freiburg der einzige Standort sei, der dieses Verhalten in der Praxis mit einem Bußgeld belegt. Die Vorlage sagt hier zwar, dass „zumindest die Stadionverordnungen in Augsburg und Karlsruhe für das Besteigen von Zäunen ein Bußgeld androhen“, es wäre dann aber schon auch spannend zu klären, ob es in diesen Städten am Ende denn auch tatsächlich zu Bußgeldverfahren kommt. Die Stellungnahmen unterschiedlichster Fanszenen z.B. aus Bremen oder Hamburg hierzu lassen daran nämlich durchaus Zweifel.

Natürlich geht es hier nicht um eine gigantische Zahl an verhängten Bußgeldern, die Vorlage spricht von 18 Verfahren in 28 Heimspielen, also 0,6 pro Spiel. Die Orientierung an den absoluten Zahlen kann hier aber auch leicht in die Irre führen, denn es ist klar, dass es sich in den zur Debatte stehenden Fällen immer um einzelne exponierte Leute innerhalb der Fanszenen handelt. Schließlich wollen die Fans selbst nicht, dass sich irgendwelche Personen einfach so auf dem Zaun aufhalten, und hier reicht die Selbstregulation der Kurve in der Regel aus. Wir sprechen am Ende also eben doch von einer Bußgeldquote von 64%. Da können wir den bundesweiten Ärger in den Fanszenen schon gut nachvollziehen.

Eine Einstufung als Ordnungswidrigkeit lässt aus unserer Sicht die notwendige Verhältnismäßigkeit vermissen, vor allem ist sie aber auch nicht funktional.

Präventiv ist die Verordnung nicht wirksam, da das Bußgeld von den Betroffenen eben bewusst in Kauf genommen wird. Die fankulturelle Praxis besteht und sie wird auch weiter bestehen und daran wird mit Verlaub auch die Freiburger Stadionverordnung mit Sicherheit nichts ändern. Da die Betroffenen nicht am Besteigen gehindert oder vom Zaun geholt werden, sondern erst im Nachhinein belangt, ist auch keine Gefahrenabwehr im Sinne des Polizeigesetzes erkennbar. Gleichzeitig werden so aber Versuche mit Ordnern, dem Fanprojekt oder dem Verein Absprachen zu treffen unmöglich gemacht. Vereinsmechanismen greifen so nicht mehr und auch die Einschätzung der eingesetzten szenekundigen Beamten spielt bei der Bußgeldbearbeitung keine Rolle.

In der Hausordnung des SC ist das Besteigen von Zäunen formal verboten, also würden sich aus einer Streichung in der Stadionverordnung keine Haftungsprobleme ergeben. Das möchte der SC auch so beibehalten, was von den Fans auch explizit akzeptiert ist.

Die Argumentation der Selbstgefährdung ist aus unserer Sicht auch nicht wirklich schlüssig. Natürlich könnte man jetzt viel darüber sprechen, mit welchem Bewusstsein eine mögliche Gefahr für die eigene Gesundheit hier in Kauf genommen wird und welche anderen Betätigungen Menschen in ihrer Freizeit so nachgehen, bei denen ihnen völlig bewusst ist, dass sie mit einem ähnlichen oder noch viel höheren Risiko für Leib und Leben verbunden sind. Noch schwerer wirkt aus unserer Sicht aber der Widerspruch im geplanten Vorgehen innerhalb der Vorlage selbst. Während das oft unkontrollierte und nicht selten mit Alkohol verbundene Besteigen des Zauns im Affekt für die Vorlage anscheinend tolerierbar ist, könne ein kontrolliertes Besteigen des Zauns für eine geplante Funktionserfüllung keinesfalls hingenommen werden. Das muss auch erstmal jemand verstehen.

Aus diesen Erwägungen heraus sollte das Besteigen von Zäunen innerhalb des Stadions eigentlich gar nicht in der Stadionverordnung vorkommen, zumindest muss aber die Bußgeldbewährung gestrichen und somit wenigstens die Minimalforderung der organisierten Fanszene erfüllt werden.

Das Anbringen von einem oder mehreren weiteren Podesten ist zwar eine absolut sinnvolle Maßnahme, die wir natürlich unterstützen, gleichzeitig sind sich aber alle Seiten einig, dass sich das grundlegende Problem damit allein nicht wird lösen lassen.