Klimaanpassung ist notwendige Grundlage kommunaler Zukunftsfähigkeit

Emriye Gül

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Buchheit,

liebe Anwesende,

wir sprechen heute über ein Thema, das nicht erst in ferner Zukunft Bedeutung erlangen wird – sondern das uns bereits heute ganz konkret betrifft: Die Klimaanpassung in unserer Stadt.

Als jemand, der im Gesundheitswesen tätig ist, greife ich gern auf medizinische Bilder zurück, um komplexe Zusammenhänge greifbar zu machen. Auch heute möchte ich dieses Mittel nutzen – denn die aktuellen Entwicklungen in Freiburg erinnern mich stark an den Zustand eines Menschen, dessen Gesundheit aus dem Gleichgewicht zu geraten droht.

Stellen Sie sich einen Patienten vor:

Zunächst beginnt er stark zu schwitzen. Dann folgen Erschöpfung, Überempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen. Die Haut trocknet aus, das Atmen fällt zunehmend schwerer. Schließlich kommt es zu Fieberschüben oder gar einem Kreislaufkollaps.

Als Fachpflegekraft auf einer Intensivstation kann ich Ihnen sagen: Das sind keine voneinander isolierten Symptome – hier ist das gesamte System gestört. Was es jetzt braucht, ist keine einmalige Notfallmaßnahme, sondern eine durchdachte, langfristige Therapie.

In genau dieser Lage befindet sich unsere Stadt.

Freiburg zeigt bereits heute klare Anzeichen der Klimakrise:

Zunehmende Hitzewellen gefährden vor allem vulnerable Gruppen: Ältere Menschen, Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen. Längere Trockenperioden schaden dem Stadtgrün, den Wäldern und damit der Lebensqualität in unseren Quartieren. Starkregenereignisse bringen die städtische Infrastruktur zunehmend an ihre Belastungsgrenze.

Freiburg liegt im Oberrheingraben – einer Region, die laut wissenschaftlicher Prognosen besonders stark vom Klimawandel betroffen sein wird. Selbst wenn wir unsere Anstrengungen im Klimaschutz intensivieren – und das müssen wir – ist klar: Manche Entwicklungen lassen sich nicht mehr aufhalten.

Deshalb sind Maßnahmen zur Klimaanpassung keine Kür, sondern Pflicht. Keine optionale Ergänzung, sondern eine notwendige Grundlage kommunaler Zukunftsfähigkeit.

Mit der neuen, gesamtstädtischen Klimaanpassungsstrategie liegt nun ein strukturierter Rahmen vor, wie wir Freiburg klimaresilient weiterentwickeln können.

Die Strategie basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, priorisiert relevante Handlungsfelder und schafft eine zeitlich strukturierte Umsetzungslogik.

Der Aktionsplan benennt konkrete Maßnahmen – darunter auch Leuchtturmprojekte – die modellhaft für andere Kommunen sein können. Erste Projekte befinden sich bereits in der Umsetzung – viele sind auch finanziell unterlegt. Das zeigt: Hier geht es nicht um Symbolpolitik, sondern um einen ernst gemeinten Behandlungsplan.

Natürlich gilt – wie in der Medizin – auch hier: Jede Therapie braucht Ressourcen. Nicht alle Personal- und Finanzbedarfe lassen sich bereits heute exakt beziffern. Aber es ist klar: Wo zusätzliches Personal notwendig ist, müssen Stellen geschaffen und auch tatsächlich besetzt werden.

Zudem sollten wir konsequent sämtliche Fördermöglichkeiten auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene ausschöpfen.

Ein zentraler Baustein für die Wirksamkeit der Strategie ist die regelmäßige Evaluation. Der Gemeinderat soll alle drei Jahre über den Umsetzungsstand informiert werden. Doch in Zeiten sich beschleunigender Klimafolgen stellen sich berechtigte Fragen: Reichen drei Jahre aus?

Was passiert, wenn sich vorher schon kritische Entwicklungen abzeichnen?

Wir brauchen ein System, das flexibel, datenbasiert und handlungsfähig ist. Die Sachstandsberichte dürfen kein Automatismus werden – sie müssen als strategisches Frühwarnsystem verstanden und genutzt werden.

Als Gemeinderat tragen wir Verantwortung – vergleichbar mit einem interdisziplinären Behandlungsteam in der Klinik. Wir können nicht garantieren, dass wir alle Symptome heilen. Aber wir müssen – alles dafür tun, dass die Patientin „Freiburg“ stabil bleibt, sich anpasst.

Doch bei allem Lob für die vorgelegte Strategie darf ein Kritikpunkt nicht unerwähnt bleiben: Die Beteiligung der Stadtgesellschaft war bislang unzureichend. Diese Kritik kam aus ganz unterschiedlichen Richtungen: Von zivilgesellschaftlichen Gruppen, aus einzelnen Quartieren und von engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Und wir teilen diese Kritik.

Deshalb fordern wir: Bestehende Gruppen, Initiativen und Fach Akteur:innen müssen systematisch eingebunden werden.

Und wir sagen: Eine echte, wirksame Bürgerbeteiligung sollte als eigenständige Leuchtturmmaßnahme im Aktionsplan verankert werden.

Denn Klimaanpassung gelingt nur, wenn wir sie gemeinsam denken, gemeinsam gestalten – und gemeinsam tragen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.