Linas Rede zum Haushalt: Es braucht eine Reform der kommunalen Finanzen

Portrait Lina Wiemer-Cialowicz

Sehr geehrter Oberbürgermeister,

sehr geehrter Finanzbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Kulturbereich haben wir mit erfolgreichen Anträgen für eine strukturelle Stärkung gesorgt. Auch die Integrationsarbeit mit geflüchteten Menschen wird verbessert. Froh sind wir darüber, dass es uns gelungen ist, die Beratungsstellen gegen Gewalt und sexualisierte Gewalt an Frauen und Kindern und auch die Täterarbeit mit diesem Haushalt besser aufzustellen.

Dass nun auch die Gewaltprävention, als ein Schwerpunkt der Istanbul-Konvention mit einer 50 % Stelle weiterverfolgt werden kann, verbuchen wir als großen Erfolg. Warum wirksame Öffentlichkeitsarbeit dafür nicht finanziell ausgestattet wird, wie von uns beantragt, ist jedoch absurd. Immerhin ist dem Oberbürgermeister die „Augen auf“ Kampagne zur Sauberkeit in der Stadt 200 T€ wert.

Die sozialen Notlagen in der Stadt verschärfen sich weiter: Sozialberatungsstellen in Stadtteilen mit viel prekärer Wohnbevölkerung wären dringend nötig. Die Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen in diesen Stadtteilen hat nicht ab-, sondern zugenommen. Gute Bildungsbegleitung und mehr Schulsozialarbeit könnten dem entgegenwirken. Hierfür gab es keine Mehrheiten. Ein Lichtblick bleibt die von uns erfolgreich beantragte Umsetzung einer unabhängigen Ombudsstelle beim Jobcenter.

Demgegenüber steht, dass wir als Gemeinderat um jede Erhöhung bei den freien Trägern im Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich hart kämpfen mussten. Die Sachkostenbudgets der Ämter und der freien Träger müssen spätestens im nächsten Haushalt erhöht werden, wollen wir wichtige Leistungen bedarfsgerecht weiterentwickeln.

Unsere Fraktion steht auch voll und ganz hinter den aktuellen Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst. Gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen dürfen nicht einseitig als Haushaltsbelastung bewertet werden, sondern sie sind auch angemessene Vergütung für die Leistung der Beschäftigten, die unsere Stadt am Laufen halten.

Obwohl sicher viele hier im Ratssaal nicht bestreiten würden, dass wir in Freiburg mehr für Bildungsgerechtigkeit tun müssen oder die Entlastung von bedürftigen Privathaushalten notwendig ist, wurden wir zum Teil entweder belächelt ob der scheinbar vielen von uns gestellten Anträgen. Und viele fragen sich, warum wir den Haushalt ablehnen werden, obwohl doch einige unserer Anträge erfolgreich waren. Für uns ist es kein Widerspruch bedarfsgerechte Anträge zu stellen und anderen sinnvollen Anträgen und Einzeldrucksachen zuzustimmen. Keine Zustimmung hingegen findet die grundsätzliche Finanzierungsgrundlage des Doppelhaushalts, weil hier Mittel auf Kosten weniger generiert werden, anstatt aus einer sinnvollen Steuererhöhung.

Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang einmal darüber sprechen, warum Kommunen eigentlich das Geld fehlt. Kommunen tätigen ca. 60% aller öffentlichen Bauinvestitionen, also Schulen, Kitas, Straßen, Brücken, Schwimmbäder usw. Die Kommunen leisten also einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt und Ausbau der Infrastruktur und das aus dem eigenen Geldbeutel. Das Problem ist der Investitionsrückstand: Seit 2003 verliert die Infrastruktur der Kommunen an Wert. Warum? Weil das Einhalten der Schuldenbremse offensichtlich reizvoller ist als sanierte Schultoiletten und intakte Radwege. Hinzu kommt: Wenn Konjunktur und Wirtschaft gut laufen, bekommen Kommunen mehr Einnahmen aus Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Wenn es wirtschaftlich bergab geht, gibt es weniger Geld. Selbst mit einer klugen kommunalen Wirtschaftsförderung ist es kaum möglich, diese Einnahmen auf sichere und verlässliche Füße zu stellen, weil sie oft abhängig sind von externen Ereignissen wie Pandemie oder Krieg. Unsere Ausgaben hingegen sind zum großen Teil unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung, denn wir müssen ja städtisches Personal bezahlen und die Infrastruktur Instand halten. Und bei Sozialausgaben ist es ja sogar so, dass sich die Ausgaben komplett gegenläufig zur Konjunktur verhalten.

Jetzt ist Freiburgs Einnahmesituation zum Glück gar nicht so schlecht. Mit jeder aktuellen Mitteilung von der Bürgermeisterbank wurde verkündet, dass es mehr Einnahmen aus der Gewerbesteuer gab oder sich die Zuweisungen von Land und Bund verbessert haben. Klar ist das ein Grund zur Freude, weil wir dann Geld für wichtige Projekte in die Hand nehmen können. Aber eine verlässliche und langfristige Finanzplanung ist nicht möglich und das nicht nur in Freiburg.

Solange also keine Reform der Kommunalfinanzierung am Horizont zu sehen ist, solange müssen Verwaltung und Gemeinderat u.a. nach Deckungsvorschlägen suchen. Aber wir müssen auch ehrlich sagen: Es ist doch für uns alle schwer noch ernsthafte Deckungsvorschläge im Haushalt zu finden. Schon gar keine mit hohen Summen. Da hilft auch kein PIWI-Prozess. Das ist einerseits gut, weil Verwaltung und Gemeinderat das Geld offensichtlich in gute Projekte investiert haben. Und da wir kaum noch Deckungsvorschläge finden, kam die Verwaltung jetzt auf die Idee die Hundesteuer zu erhöhen. Das kann man machen, ist aber doch eher kleinkariert und bindet Personal.

Für einen ernsthaften Deckungs- bzw. Umstrukturierungsvorschlag unsererseits gab es jedoch keine Mehrheit: unser Antrag die Förderung für Wohneigentum zu streichen und die freiwerdende 1 Mio Euro dafür in gemeinwohlorientierte Wohnprojekte fließen zu lassen. Stattdessen ist eine Mehrheit des Gemeinderats weiterhin bereit, diese Gelder für die Förderung der Eigentum erwerbenden Mittelschicht bereitzustellen. Das Problem: Angesichts von gestiegenen Zinsen und hohen Baukosten ist der Erwerb von Eigentum für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen zum Erliegen gekommen. Das im Haushalt bereitgestellte Geld würde also in großen Teilen nicht genutzt werden. Zum anderen ist jeder Euro, der in langfristig öffentlichen Mietwohnungsbestand oder in gemeinwohlorientiertes Eigentum investiert wird, wesentlich effektiver, weil davon mehr Menschen langfristig profitieren. 

Ich komme zum Schluss: Sehr geehrter Oberbürgermeister, es würde sich nachhaltig lohnen, wenn Sie sich mit uns für eine Reform der kommunalen Finanzen stark machen würden. Schlagen sie zusammen mit Kommunen aus dem Umland in Stuttgart und Berlin Alarm, binden sie den Städtetag mit ein. Die Finanzierung der Kommunen muss auf neue Füße gestellt werden, damit wir Freiburg gut auf die Zukunft vorbereiten können. Ein Zwischenschritt ist hier die Erhöhung der Gewerbesteuer. Dabei unterstützen wir Sie sehr gern, nicht aber bei der Erhöhung der Kitagebühren!

Vielen Dank!

  • Gehalten zur Verabschiedung des Doppelhaushalts in der Sitzung des Gemeinderats vom 09.05.2023