Rede im Gemeinderat: Freiburg muss sicherer Hafen sein

Portrait Michael Moos

Diesen Beitrag wollte ich in der letzten Gemeinderatssitzung am Dienstag, 29.09.20, für meine Fraktion „Eine Stadt für alle“ halten. Doch die AfD nutzte den Umstand, dass dieser TOP einen Tag zu spät auf die TO des Gemeinderats genommen wurde, um seine Absetzung zu erzwingen. Weil sie generell gegen die Aufnahme von Geflüchteten ist. Doch die AfD ist im Freiburger Gemeinderat isoliert. Wir werden diesen Beschluss auf der nächsten Sitzung am 20. Oktober fassen. Nachfolgend mein Beitrag:

Im März 2019 hat der Gemeinderat den Beitritt Freiburgs zum Bündnis Städte sicherer Hafen unterstützt. Doch der Bundesinnenminister Seehofer hat die Aufnahme von Geflüchteten aus den griechischen Lagern mit dem immer selben Argument blockiert: es müsse eine europäische Lösung her, wohl wissend, dass diese angesichts der kategorischen Weigerung von Ungarn, Polen und anderen in weiter Ferne liegt. Es macht uns wirklich wütend, dass nicht die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung, der Städte und Bundesländer maßgeblich ist, sondern politisches Kalkül der Bundesregierung. Wir möchten ein sicherer Hafen sein für Geflüchtete, sind bereit für die erforderlichen Maßnahmen, müssen uns aber ausrichten an den restriktiven Vorgaben des Bundes, auch jetzt.

Wir haben interfraktionell nach dem Brand auf Moria beantragt, zumindest 100 Geflüchtete aus Moria in Freiburg aufzunehmen. Doch auch das scheitert derzeit an den Vorgaben des Bundesinnenministers bundesweit nur 1500 Menschen aufzunehmen, allesamt Familien, die bereits als Asylberechtigte anerkannt sind.

Von den 1500 Menschen können aus Moria nach Deutschland, 200 nach Baden-Württemberg, 50 nach Freiburg. Das ist sicher besser als nichts, aber angesichts der 12.700 Geflüchteten allein auf Lesbos sind das klägliche Zahlen. Und ist es nicht ein weiterer Skandal, dass ganz offensichtlich viele als Asylberechtigte anerkannte überhaupt in den Lagern leben müssen und nicht schon längst von EU Staaten aufgenommen worden sind.

Rund 30.000 Menschen leben in den griechischen Lagern unter katastrophalen Bedingungen. In der Süddeutschen Zeitung vom Freitag 25. September, berichtet die angehende Ärztin Stella Kunzendorf vom Lager Vathy auf Samos, ausgelegt für 660 Menschen, wo aktuell 4500 leben. Dort wurden inzwischen 21 Menschen Covid-positiv getestet, das gesamte Camp ist unter Quarantäne gestellt. Stella Kunzendorf berichtet von verzweifelten Menschen und berichtet von ihrer Ohnmacht angesichts des Leidens im Lager.

Der Spiegel v. 19.09.20 berichtet, dass die auf Moria für 10.000 Menschen gebaute Zeltstadt nahezu voll ist. Nach offiziellen Angaben wurden bei dem Feuer 12.700 Menschen obdachlos und UNCHR betont immer wieder, dass die Zeltstadt für eine längerfristige Unterbringung nicht taugt, schon gar nicht im Winter. Die Menschen dort bekommen max. 1 mal am Tag essen und haben nur ungenügenden Zugang zu Wasser.

Und die EU ? Verkündet einen neuen Plan, um alle Geflüchtete, die die Flucht überlebt haben, an den Außengrenzen in Lagern abzufangen. Länder wie Ungarn sollen ihren Beitrag zur EU Asylpolitik erbringen indem sie bei schnelleren Abschiebungen mitzuwirken. Pro asyl erklärt, es drohen Massenlager an den EU – Außengrenzen ohne faire Asylverfahren.

Die beschämende Realität ist: Die EU schottet sich ab und zementiert für Geflüchtete unzumutbare Bedingungen, um andere abzuschrecken. Dass dies keine Politik für die Zukunft ist, liegt auf der Hand. Die Fluchtbewegungen werden weiter anwachsen, die Klimakatastrophe, Hungersnöte und Kriege lassen den Menschen im Süden keine andere Wahl und werden weitere Flüchtlingsströme auslösen. Weder Abschottung noch Abschiebungen werden ansatzweise das Problem lösen. Und wir sollen uns weiter an einen menschenfeindlichen Umgang mit Geflüchteten gewöhnen.

Eine kleine Hoffnung liegt bei den Städten, europaweit. Sie sind häufig deutlich humaner eingestellt als ihre Regierungen. Nur sie können die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung und die Leistungsfähigkeit ihrer Stadt einschätzen. Erhöhen wir deshalb weiter den Druck auf unsere Regierung. Es ist das, was wir tun können.

Der geplanten Aufnahme von 50 Geflüchteten werden wir selbstverständlich zustimmen.