Zuallererst möchte ich für unsere Fraktionsgemeinschaft der Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Martin Horn, Herrn Meder und allen, die am Dialogverfahren beteiligt waren, insbesondere den beiden jüdischen Gemeinden und Francois Blum, danken für ihre Arbeit, deren Ergebnis heute dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorliegt. Wir sind ausdrücklich einverstanden mit den ergänzenden Maßnahmen am Erinnerungsbrunnen auf dem Platz der alten Synagoge. Wir müssen uns immer wieder deutlich machen, dass seit 1870 dieses Grundstück im Eigentum der jüdischen Gemeinde stand, dass hier das Zentrum der jüdischen Gemeinde Freiburgs stand und dass für alle Nachfahren hier auf diesem Platz der einzige authentische Ort der alten 1945 ausgelöschten jüdischen Gemeinde ist, zu dem sie gehen und sich ihrer Wurzeln besinnen können. Die hohe Sensibilität dieses Ortes war nicht immer allen und zu jeder Zeit bewusst und umso mühsamer ist es jetzt, Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten.
Im Kern geht es um die Frage, wie wir als Stadt mit der Erinnerung an diesen Ort und seine Menschen umgehen. Dazu ein kurzer Blick in die Stadtgeschichte Freiburgs, die wir im kommenden Jahr feiern wollen:
Um 1300 gab es in der Wasserstraße eine erste jüdische Synagoge. Doch bereits 1349 wurden fast alle in Freiburg lebenden Juden im Rahmen der allgemeinen Judenverfolgung in der Pestzeit ermordet. Wenig später lebten wieder Juden in Freiburg, die Chronik spricht von 60 Juden, die Ecke Webergasse/Raustraße eine Synagoge hatten. Doch bereits 1401 beschloss der Freiburger Stadtrat, dass für alle Zeiten in Freiburg keine Juden sein sollten. König Sigismund bestätigte dieses Dekret.
Als 1782 die bestehenden Judengesetze aufgehoben wurden, konnten gleichwohl die Juden sich in Freiburg nicht als Vollbürger niederlassen. Im Alltag gab es zahlreiche Einschränkungen. Das Recht auf Freizügigkeit galt für Juden nicht. 1809 wies der Stadtrat den Juden in der Grünwalder Straße Nummer 12 ein sog. Judengasthaus zu. Dessen erster Pächter war der erste jüdische Vollbürger Freiburgs.
Als es im badischen Landtag 1830/31 um die Judenemanzipation ging regte sich Widerstand, auch bei Karl von Rotteck. Er verlangte, dass sich die Juden erweiterte Rechte mit einer verstärkten Integration erst mal verdienen müssten. Noch 1862 gab es in Freiburg großen Widerstand gegen die volle Freizügigkeit für Juden. In einer Petition der Freiburger Kaufmannschaft an den Landtag hieß es: so werden wir zum Judennest.
Erst 1870 konnte die jüdische Gemeinde nach bald 500 Jahren wieder eine Synagoge bauen, die die dann 1938 von Freiburger SA und SS zerstört wurde. Die weitere Geschichte ist bekannt, sie endete damit dass bei Kriegsende kein einziger der alten jüdischen Gemeinde mehr in Freiburg lebte.
Im September 1953 beschwerten sich Gertrud Luckner und Else Liefmann bei Oberbürgermeister Wolfgang Hoffmann darüber dass „die Stadt Freiburg diesen Platz ohne…. Gedenktafel an die Synagoge, die hier stand und ebenso (ohne Gedenken) an unsere toten jüdischen Mitbürger belassen hatte“ und baten darum dies zu ändern. Else Liefmann bezeichnete diese Tatsache als einen „betrübenden Beweis, wie gleichgültig, wie vergesslich so viele deutsche Menschen sich zu jenen Erinnerungen verhalten, die sie am liebsten auslöschen möchten, als sei nichts geschehen.“
Die Stadt antwortete Gertrud Luckner und Else Liefmann, dass man zunächst prüfen wolle, ob der Vergleich von 1948 im Restitutionsverfahren der Stadt mit den paar wieder in Freiburg lebenden Jüdinnen und Juden eine entsprechende Verpflichtung enthielt. Von einer Gedenktafel sei, so das Ergebnis eines eingeholten Gutachtens, keine Rede gewesen. Es geschah dementsprechend nichts, dies wenige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der Vertreibung und Ermordung der Freiburger Jüdinnen und Juden. Ein weiteres beschämende Kapitel im Umgang der Stadt mit den Juden. Erst 1962, am 11. November, wurde die Gedenktafel von Karl Riesler eingeweiht. Es ist von einer Herrschaft der Gewalt und des Unrechts die Rede, so allgemein, dass niemandem zu nahe getreten wird. Täter wie Opfer werden nicht genannt. Und die Tafel wurde so unauffällig angebracht, dass viele Freiburgerinnen und Freiburger diese nie bemerkten.
Auch sei daran erinnert, dass es privater Initiativen bedurfte, um an Deportation und Vernichtung öffentlich zu erinnern, mit dem Gurs Schild am Platz der alten Synagoge, mit den Stolpersteinen für die Vertriebenen und Ermordeten. In den Jahren der Konzeption und Errichtung des neuen Platzes der alten Synagoge haben wir immer wieder angemahnt, dass über die Form und den Inhalt des Erinnerns frühzeitig gesprochen und beschlossen werden müsse. Das geschah aber nicht, die baulichen Fragen standen immer im Vordergrund, und so müssen wir weiter nachbessern, was bereits bei Einweihung des Platzes notwendig gewesen wäre:
Eine klare Aussage zur Bedeutung dieses Ortes für die Stadt, damit alle sich dort an dieses Kapitels in der Freiburger Stadtgeschichte erinnern und sich damit auseinandersetzen können, damit hier nie wieder völkisches Denken, Rassismus und Faschismus Platz greifen können.
Eben deshalb möchten wir auch, dass an diesem Platz die Namen der ermordeten Jüdinnen und Juden festgeschrieben werden. Eine Debatte über die Kosten der ergänzenden Maßnahmen werden wir nicht führen. Diese Maßnahmen sind notwendig, sie sind überfällig, und sie kosten eben was sie kosten. Unsere Fraktionsgemeinschaft stimmt der vorliegenden Drucksachen zu.
Rede gehalten am 12.11.2019 im Freiburger Gemeinderat