Strategie für die Verbesserung von Bildungschance – Jetzt endlich damit anfangen!

Ergänzungsantrag zur Drucksache G-22/178, hier: „Schulentwicklungsbericht 2022“

Antrag auf Einsetzung einer Fachkommission zur Entwicklung von Strategien und Konzepten zur Verbesserung der Chancengleichheit im Bildungsbereich für Kinder und Jugendliche in benachteiligenden Quartieren, exemplarisch am Beispiel Weingarten in Ergänzung zu der Drucksache G-22/178

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

die unterzeichnenden Fraktionen beantragen in Ergänzung zu der Drucksache G–22/178:

  1. Die Verwaltung wird beauftragt, zeitnah eine interdisziplinäre Fachkommission zur Entwicklung von Strategien und Konzepten zur Überwindung von Bildungsungleichheit von Risikoschüler_innen in benachteiligenden Quartieren, exemplarisch am Beispiel Weingarten, zusammenzustellen und einzuberufen.
  2. Ziel ist es, die im vorgelegten Schulentwicklungsbericht vielfach herausgearbeiteten signifikanten Bildungsdefizite im Hinblick auf soziale Herkunft, Einkommen, Milieu und Wohnort differenziert mit einer sozialräumlichen Perspektive zu analysieren und zielführende Handlungsoptionen zu erarbeiten.
  3. In dieser Fachkommission sollten neben der Verwaltung aus dem Stadtteil Weingarten die Kindertagesstätten, das Adolf-Reichwein-Bildungshaus, der Heilpädagogische Hort, das Forum Weingarten als Träger der Quartiersarbeit, das Mehrgenerationenhaus EBW, das Nachbarschaftswerk, die Evangelische Hochschule, das Jugendzentrum Weingarten, die Pädagogische Hochschule, Vertretungen der weiterführenden und beruflichen Schulen, Elternvertreter:innen aus Kita und Schule, Vertreter_innen des Migarant_innenbeirates, der Sozialdienst muslimischer Frauen, die Bildungsberaterinnen für die Sinti- und Roma Community ebenso beteiligt sein, wie ortsunabhängige Expert_innen in Fragen der Bildungsbiographie hinzugezogen werden sollten.
  4. Bis zum Frühjahr 2024 sind erste Zwischenergebnisse der Arbeit der Fachkommission vorzulegen.

Begründung:

Im vorgelegten Schulentwicklungsbericht werden viele wichtige positive Entwicklungen an den Freiburger Schulen aufgezeigt. Die Stadt Freiburg hat hier in vielen Bereichen erfolgreiche Leistungen erbracht. Andererseits offenbaren sich auch Defizite und Problembereiche, die seit vielen Jahren bekannt sind und sich kontinuierlich
reproduzieren. Die vorgetragenen Erkenntnisse ganz realer Bildungsbenachteiligung für große Schüler_innengruppen in Freiburg sind erschütternd.

Besonders deutlich kommt dies auf der Seite 40 zum Ausdruck, wo es heißt:

• „Wie schon im Bildungsbericht 2013 festgestellt, gehen zwei Drittel der Schüler_innen ohne Migrationshintergrund nach der 4. Klasse auf ein Gymnasium, aus der Gruppe der Schüler_innen mit Migrationshintergrund sind es 33 Prozent.“
• „Im Vergleich mit den anderen Stadtkreisen stellt Freiburg hier das Schlusslicht dar (Stuttgart 45,3 Prozent, Karlsruhe 46,5 Prozent, Mannheim 37,6 Prozent und Heidelberg 47,3 Prozent).
• Weiterhin besuchen mit 55 Prozent mehr Mädchen ein Gymnasium und mit 58 Prozent mehr Jungen eine Haupt-/Werkrealschule.“
• „Die soziale Komposition der Grundschulen bestimmt weiterhin den Bildungsweg. In Stadtbezirken mit hoher SGB-II-Quote wechseln deutlich weniger Grundschüler_innen auf ein Gymnasium – während es in Weingarten ein Viertel ist, sind es in Herdern mehr als 90 Prozent.“
• „Bei Schulabgängen ohne Migrationshintergrund überwiegt die allgemeine Hochschulreife deutlich. Bei den ausländischen Jugendlichen dominierten nach wie vor der Hauptschulabschluss und der mittlere Abschluss. Besonders große Unterschiede gibt es bei den Schüler_innen ohne Hauptschulabschluss.“
• „Jugendliche mit Hauptschulabschluss haben nur wenige Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Für ausländische Jugendliche ist jedoch nicht nur der Zugang zur Ausbildung erschwert, sie sind auch zu geringeren Anteilen an Schulformen beteiligt, die zur Hochschulzugangsberechtigung führen.“

Diese Auszüge aus dem vorgelegten Bericht unterstreichen die notwendigen Handlungsbedarfe in aller Deutlichkeit. Leider enthält der Bericht keine hinreichende Erklärungsansätze und konzeptionell neue hinreichende erfolgversprechende Strategien.

Insbesondere bleiben bislang die für eine erfolgreiche Schullaufbahn elementaren Sozialisationsakteur_innen, nämlich die Familien und die Kitas, weitgehend außer Acht.

Hier werden die wesentlichen Grundlagen für eine Schulreife gelegt, z.B. der Spracherwerb, soziale und kommunikative Fähigkeiten, Lernbereitschaft oder die Entwicklung von kognitiven Fähigkeiten. Diese Zusammenhänge sollten beleuchtet werden.

Nicht zuletzt sind die infrastrukturellen Ausstattungen und die sozialräumlichen Ressourcen der jeweiligen Wohnumgebung kleinräumig in Hinblick auf schulentwicklungsfördernde oder – hemmende Faktoren zu untersuchen.

Besonderes Augenmerk sollte auf die kritische Würdigung positiver Erfahrungen in vergleichbaren anderen Städten gelegt werden. Ortsunabhängige Expert_innen sind deshalb einzubeziehen, ggf. sind auch Exkursionen vor Ort einzuplanen.

Wir denken, dass es endlich an der Zeit ist, neue Wege auszuloten, um Chancengleichheit für alle Freiburger Kinder und Jugendliche zu gewährleisten. Um kein Kind mehr zurückzulassen, sollen am Beispiel Weingarten exemplarisch neue Bildungsstrategien erprobt werden.

Die unterzeichnenden Stadträt:innen und Fraktion:

Prof. Günter Rausch, Stadtrat, EINE STADT FÜR ALLE
Irene Vogel, Stellv. Fraktionsvorsitzende, EINE STADT FÜR ALLE
Emriye Gül, Stadträtin, EINE STADT FÜR ALLE