Wir gedenken heute der Millionen Opfer der Shoah

Wir gedenken heute der Millionen Opfer der Shoah. Wir denken an die Alten und die Kinder, die Frauen und Männer, an die Erschossenen, die Vergasten, an die, die man den Hungertod sterben ließ, an die Erschossenen, an alle, die von den deutschen Faschisten entrechtet, erniedrigt, ermordet wurden. Es ist nicht einfach sich zu erinnern. Es ist jedes Mal schrecklich.

Mit einem zweiminütigen Schweigen, bei dem der Straßenverkehr sowie das Fernseh- und Radioprogramm ruhen, wird am jom haschoah in Israel der Ermordeten gedacht. Um 12 Uhr ertönen die Sirenen und alles steht still, für 2 Minuten. Die Autos halten an, in den Städten, auf der Autobahn.

In der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem wird heute auch an alle nichtjüdischen Menschen erinnert, die durch den Einsatz ihres Lebens Juden gerettet haben.
Wie sehr wünsche ich mir auch in Deutschland ein solches kollektives Gedenken, warum nicht hier, warum nur im Land der Opfer? Aber es wäre hier nicht möglich, zu viele wollen sich nicht erinnern, wollen nicht gedenken. Sie werden sagen, das sei übertrieben, oder, dann müsse man auch der deutschen Opfer gedenken, oder, wo da die persönliche Freiheit bleibe.

Viele in unserem Land sagen, „Einmal muss Schluss sein“. Doch Schluss ist nie. Der Holocaust ist Teil der Menschheitsgeschichte und wird es immer bleiben.
Noach Flug, der ehemalige Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, selbst Auschwitz-Überlebender, sagte:

„Die Erinnerung ist wie das Wasser. Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret. Sie hat Gesichter vor Augen und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären“.
Wir erinnern uns, dass keine 10 Jahre vergingen von der Ausgrenzung und Diskriminierung zum Völkermord. Am 1. April 1933 hat die SA sich vor jüdische Geschäfte postiert und zum Boykott aufgerufen. Mein Vater, damals 20 Jahre alt, hat selber in Ulm erlebt, wie SA-Männer sich vor dem Aussteuergeschäft seines Vaters postierten mit Plakaten „Kauft nicht beim Juden“. Er war erschüttert, wie er später schreibt, dass die meisten dem Boykottaufruf folgten. Nur sehr wenige betraten noch das Geschäft.

Niemand protestierte gegen die systematische Erniedrigung und Entrechtung der Juden. 5 Jahre später brannten die Synagogen, 6 Jahre später folgte der Überfall auf Polen, die systematische Ausrottung der Juden Europas begann.

Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen, sagte Primo Levi. Schon viel zu lange können Neonazis, Rechtsradikale, Völkische nahezu ungestört Rassismus und Antisemitismus verbreiten. Und sie sind längst zu Taten übergangen. Immer wieder müssen wir feststellen, wie geduldig und zaghaft der deutsche Staat mit Neonazis und Reichsbürgern, Kameradschaften, völkischen Verbindungen und AfD Hetzern umgeht. Das kann nicht sein, das darf nicht sein. Nicht mit dieser Geschichte, nicht nach so viel Toten, Opfer von Rechtsradikalen. Wie kann es sein, dass nach den Morden der NSU erneut Rechtsradikale Waffenlager anlegen können, Schießübungen veranstalten, immer wieder Menschen ermorden können, 213 Menschen nach Angaben der Amadeu Antonio Stiftung, zuletzt der Mord 2019 an dem hessischen Regierungspräsidenten Lübcke, dann in Halle der Angriff auf die Synagoge und die Ermordung von 2 Menschen und im Februar 2020 erschießt ein Rassist in Hanau 9 Menschen. Nach Mordanschlägen folgen jeweils Wochen der Empörung und der Versprechen und dann geschieht wieder nichts oder viel zu wenig und der rechtsradikale Untergrund kann sich immer wieder neu formieren. Wir stecken unfassbar viel Geld in unseren Sicherheitsapparat, aber die konsequente Bekämpfung der rechtsradikalen Szene wird notorisch vernachlässigt.

Gute Nachrichten sind leider selten. Eine aber ist, dass wir in 2 Jahren das Dokumentationszentrum über die NS-Zeit in Freiburg und die dazu gehörende Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes eröffnen werden. Das schmerzt die Faschisten und Rechtsradikalen ungemein. Kein Wunder, dass die AfD im Freiburger Gemeinderat beantragt hat, die Mittel für den Bau des Dokuzentrums zu streichen. Erfreulich, dass keine/r der anderen Fraktionen dafür die Hand hob.

Heute, am Jom haScho`a, geht das Dokuzentrum bereits ans Netz und steht damit jeder/m offen, der Interesse an Zusammenarbeit hat.

Mit dieser guten Nachricht möchte ich meinen Beitrag beenden und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Michael Moos

Redebeitrag von Stadtrat Michel Moos am 8.4.2021 Synagoge auf Einladung von Irina Katz.