Investieren in Menschen – Verbesserte Finanzlage für Beschäftigte nutzen!

Portrait Michael Moos

Am 10. Mai 2021, 1 Woche vor Verabschiedung des Doppelhaushaltes, hat unsere Fraktion im Amtsblatt geschrieben:

„Bei dem vorliegenden Entwurf handelt es sich um eine Momentaufnahme. Angesichts der wieder anziehenden Konjunktur, der vollen Auftragsbücher nicht nur in der Industrie, auch im Handwerk, bestehen begründete Anhaltspunkte dafür, dass sich die Einnahmesituation der Stadt deutlich besser entwickeln wird, als wir jetzt annehmen.“

Und weiter:

„Inakzeptabel ist die faktische Kürzung der Personalkostenbudgets der städtischen Ämter und der Zuschussempfänger*innen. Zynisch ist es zu verlangen, das Personal solle – trotz steigender Verantwortung – seine eigene Tariferhöhung durch Wiederbesetzungssperren, Arbeitsverdichtung und Abbau von Stellenanteilen kompensieren. Alle Care-Arbeitenden haben mehr verdient. Die Überlastung dieser Berufsgruppen und Ehrenamtlichen wird steigen, der Sozialabbau wird sich verschärfen. Gerade jetzt müssten Menschen in Solo-Selbständigkeit, Niedriglohngruppen und Transferbezug besonders gestärkt werden, die Krise trifft sie wirtschaftlich wie psychisch am härtesten. So aber wird die soziale Ungleichheit verschärft.“

Der Gemeinderat beschloss den Doppelhaushalt ohne den Zuschussempfängern die Mehrkosten zu erstatten, die ihnen durch die Tariflohnerhöhungen entstanden. Dasselbe bei der Stadtverwaltung und den städtischen Gesellschaften. Und bei den Kultureinrichtungen, denen eine dynamische Anpassung der steigenden Personalkosten zugesagt war.

Mit der von uns beantragten Erhöhung des Gewerbesteuersatzes blieben wir allein. Das sei jetzt das „falsche Signal“. Maßnahmen, die auf Kosten der Gewinne gehen, sind für viele immer das „falsche Signal“.

Heute wissen wir, dass aus einem Minus von 20 Mio € im Ergebnishaushalt 2021 ein Plus von rund 23 Mio. € werden wird. Doch schon verlagern sich die Kassandrarufe auf 2022 und die Folgejahre. Verwiesen wird auf das wachsende Minus bei den Verkehrsbetrieben und vieles andere. Nicht zur Kenntnis genommen wird, dass die aktuellen Prognosen für 2022 einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 4,8% für 2022 und ab 2023 mit normalen Zuwachsraten expandieren wird. Und nach wie vor stehen dem Gemeinderat auch mit einer Gewerbesteuererhöhung eigene Möglichkeiten offen, die Anfang 2023 nach den dann bestehenden Wirtschaftsbedingungen abgewogen werden müssen.

Die eigentlichen Gründe für diese Politik liegen aber tiefer: nach wie vor gilt für viele, dass Investitionen gute Ausgaben sind während steigende Kosten im Sozial-Personal- und Kulturbereich von Übel sind. Diese Grundannahme ist grundfalsch.

Die Kürzung der Zuschüsse um die durch die Tariflohnerhöhungen entstehenden Mehrkosten in 2021/2022 wurde dem Gemeinderat ausdrücklich als Notmaßnahme vorgestellt, unabdingbar, um den Ergebnishaushalt 2021 noch retten zu können. Davon kann keine Rede mehr sein. Wir beantragen mit Jupi und Freien Wählern keine Nachzahlung sondern die ab 1.4.22 fällige Tariflohnerhöhung von 1,8% bei den Zuschussempfängern auszugleichen. Das würde den Ergebnishaushalt 2022 um ganze 1,5 Mio.€ belasten. Wenn eine Fraktion hier sagt, wir machen mit, aber nur, wenn wir dies auch für die städtischen Bediensteten beschließen, dann sind wir sofort dabei.

Zahlen sind das eine, Menschen das andere. Das Nachbarschaftswerk z.B. hat in Weingarten ab 09/21 eine Stellenreduzierung um 10% in der Sozialberatung vornehmen müssen, beim Lernen im Quartier (Jugendberatung, Lernförderung) eine Stellenreduzierung von 170 auf 140%. Das zieht sich so durch die Stadt und ist umso schlimmer, als diese Einrichtungen alle angesichts des Corona bedingten Mehrbedarfs an sozialer Hilfe in den letzten beiden Jahren nicht weniger sondern mehr Personal bräuchten. Und auch wenn dann 2023 die Zuschüsse in voller Höhe ausbezahlt werden, dieses Finanzierungslücke schleppt sich in allen Folgejahren weiter.

Das alles kann niemand wollen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.