Sehr geehrter Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
politischer Erfolg bemisst sich meist daran, ob man für seine Ideen Mehrheiten finden konnte. Hin und wieder bemisst sich Erfolg aber auch daran, ob man es geschafft hat eine mehrheitsfähige Idee zu verhindern.
Das ist uns gelungen. Zum Glück! Denn nach Interventionen unserer Fraktion, unterstützt von Freiburg For You und Kultur und Inklusion, wird heute nicht die Abschaffung der sachkundigen Bürger*innen beschlossen.
Mit dieser provokanten und wenig durchdachten Idee kamen Grüne, SPD und CDU im September um die Ecke.
Wir waren überrascht, weil es vor der Sommerpause lediglich darum ging, die Sachkundigen möglicherweise zu reduzieren. Jetzt deren Abschaffung zu fordern, ging uns dann deutlich zu weit und die aufgeführten Gründe für die Abschaffung haben uns nicht überzeugt. Denn Sachkundige sind ein wichtiger Teil des demokratischen Prozesses und ein geeignetes Mittel der Partizipation.
Wir haben in den letzten Wochen aufgeklärt, informiert und sind an unsere Kolleginnen und Kollegen herangetreten. Das entstandene Echo und die Empörung haben ausgereicht und dazu geführt, dass diese Idee nun vom Tisch ist. Dass man so nicht mit engagierten Menschen aus der Stadtgesellschaft umgehen sollte, haben Grüne, SPD und CDU zum Glück erkannt. Der Aufschrei war dann doch zu groß und mit so einem undurchdachten Antrag in eine neue Legislatur zu starten, ist keine so gute Idee liebe Kolleginnen und Kollegen.
Mit dem heutigen Tagesordnungspunkt berufen wir nun endlich die sachkundigen Einwohnerinnen und Einwohner für diese Amtsperiode. Und es liegt KEIN Antrag auf pauschale Abschaffung der Sachkundigen vor.
Was uns dagegen vorliegt, ist ein deutlich abgeschwächter Antrag. Vorgeschlagen wird nun eine Schulung für Sachkundige und Sachverständige. Das ist sicher sinnvoll. Der zweite Punkt ist dann schon amüsanter, denn es wird an die Verantwortung der jeweiligen Sitzungsleitung appelliert, auf Redezeitbegrenzung und passende Redebeiträge der Sachverständigen zu achten. Ja, das sind die Aufgaben der Sitzungsleitung. Aber um sie daran zu erinnern, braucht es nun wirklich keinen Antrag.
Die größte Schwäche des Antrags findet sich dann in der Begründung. Dort heißt es: „Dass viele Sachkundige nicht etwa als Bürger_innen der Stadt Freiburg mit besonderer Sachkunde in den Ausschüssen sitzen. Sie agieren entgegen ihrer eigentlichen Funktion viel eher als Interessenvetreter_innen bzw. Lobbyist_innen bestimmter Gruppierungen und Verbände.“
Aus Sicht der antragstellenden Fraktionen sollte Engagement also Grenzen haben. Wo kommen wir denn hin, wenn sich beispielsweise ein sachkundiger Bürger auch noch in einem Verein engagiert und dazu vielleicht auch noch für eine Partei oder Liste für die Kommunalwahl kandidiert hat?
Etwas mehr Vertrauen in bürgerschaftliches Engagement liebe Grüne, SPD, CDU und FDP! Glücklicherweise sind viele Menschen in Freiburg ehrenamtlich engagiert und auch hier im Gremium sind einige noch zusätzlich als Vorstand in einem oder mehreren Vereinen tätig. Und selbst wenn es in Einzelfällen so sein sollte, dass nicht klar ist, wer welchen Hut aufhat, müsste man dann doch mit gutem Beispiel vorangehen. Und an dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein, wann Stefan Schillinger und Uwe Stasch ihre Bürgervereinsämter niederlegen? Nicht dass die beiden noch durcheinanderkommen…
Wir alle wünschen uns effiziente Sitzungen, egal ob als Gemeinderät*in, Verwaltungsmitarbeiter*in oder Dezernent*in. Wenn effizient aber im neoliberalen Sinne ‚Verschlankung‘ bedeutet, dann kann das zu weniger Expertise im Gremium führen. Und das kann nun wirklich niemand ernsthaft gut finden.
Und ja, wir alle sind zeitlich manchmal am Limit und schaffen es hin und wieder kaum uns vernünftig auf die Sitzungen vorzubereiten. Aber wir alle sitzen hier doch freiwillig und haben uns selbst dafür entschieden Wahlkampf zu machen und dann auch dieses Amt auszuüben.
Und das Gleiche gilt doch auch für die Sachkundigen. Meines Wissens nach machen die das alle freiwillig.
Und den Sachkundigen dann nahezulegen, sie entlasten zu wollen und ihre wertvolle Zeit doch besser in andere ehrenamtliche Tätigkeiten fließen zu lassen, wie es im Schreiben vom September stand, ist dann doch mehr überheblich als gut gemeint. Denn viele Sachkundige verstehen dieses Amt als wichtigen Teil ihres Ehrenamts und empfinden es nicht als Belastung. Und zum anderen entlastet gerade die Teilnahme der Sachkundigen uns im Gemeidenrat durch die eingebrachte Expertise und auch dadurch, dass Nachfragen und Klärungen direkt in oder nach den Ausschüssen stattfinden können.
In diesem Sinne freuen wir uns sehr darauf, dass die Sachkundigen und Sachverständigen ab morgen wieder an den Sitzungen teilnehmen.
Vielen Dank!