Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Horn,
sehr geehrter Herr EBM von Kirchbach,
aufgrund der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen mit komplexen Modernisierungs- und Transformationsanforderungen an die Bürger_innen auch in unserer Stadt halten wir es für unverzichtbar, das vorhandene Netzwerk sozialer Institutionen und Hilfeangebote auszubauen und um zusätzliche Sozialberatungsangebote zu ergänzen. Wohnungslose, ältere Menschen mit niedrigem Einkommen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit geringer Bildung sind oftmals von der zunehmenden Digitalisierung und den überbürokratisierten Antragsformulen überfordert und tendenziell ausgeschlossen. Sie waren und sind auf lebenswelt- und sozialraumnahe persönliche Beratungsangebote angewiesen. Infolge der Digitalisierungs- und Verschlankungsprozesse in den öffentlichen und privatrechtlichen Verwaltungen finden sie dort zunehmend schwerer Hilfe und Unterstützung. Nur die wenigsten finden dennoch Zugang. Sie bleiben zumeist ratlos mit ihren diversen Anliegen, ob Mahn- der gar Vollstreckungsbescheiden, Rentenanträgen, Mitteilungen des Jobcenters, Jugend- oder des Sozialamtes, Mieterhöhungsschreiben, Energie- und Heizkostenabrechnungen, Wohngeldanträge etc.. Die bürokratischen Ausdrucksweisen, die noch dazu nahezu ausschließlich in deutscher Sprache erfolgen, überfordern sehr viele. Wenn sie dennoch diverse Anlaufstellen erreichen, sind diese häufig mit der Menge an Hilfegesuchen überfordert und/oder verfügen nicht über die inhaltlichen Kompetenzen, um fachgerecht zu beraten, bzw. adäquat weiterleiten zu können.
- Aus diesen Gründen beantragen wir unter OZ 408 die Errichtung von Sozialberatungsangeboten in benachteiligenden Quartieren mit besonders signifikanten sozialen Problemlagen und Indikatoren – analog der Stadtteile Haslach und Weingarten
- Alle wichtigen Informationen, soweit noch nicht geschehen, insbesondere Antragsformulare für Transferleistungen mehrsprachig und in leichter Sprache zu verfassen.
- Eine für alle transparente Vernetzung der bisherigen und der neu einzurichtenden Hilfeangebote zu gewährleisten.
- Zur Finanzierung einer ersten Ausbaustufe, beginnend mit den Stadtteilen Brühl-Beurbarung, Stühlinger, Mooswald und Landwasser, für den Haushalt 2023/24 130.000 € (für jeweils mindestens 0,5 VZÄ) einzustellen. Der Sperrvermerk ist mit Beschlussfassung über die Priorisierung durch den Gemeinderat bis Juli 2023 aufzuheben.
Begründung:
In den aktuell schwierigen Zeiten erleben wir allenthalben wachsende Unsicherheiten, Ängste, Orientierungslosigkeit und vielfache Überforderung von immer breiter werdenden Bevölkerungsschichten in der Bewältigung des Alltags und oftmals schwieriger Lebenslagen. Die Corona-Pandemie und die anschließende Kriegskrise haben vorhandene soziale und psychische Problemlagen noch verstärkt. Beratungsstellen berichten darüber, dass Menschen, die nicht über einen gewissen sozialen oder materiellen Status und über die geforderte soziale, emotionale oder kognitive Bildung etc. verfügen, die Chancen und Angebote einer modernen Gesellschaft oftmals nicht nutzen können. In der Folge geraten sie immer mehr in materielle Notlagen und außergewöhnliche psychosoziale Belastungen, die ihnen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zunehmend verunmöglichen.
Im Falle von Familien betrifft es nicht zuletzt die Kinder, die in der Folge in Selektionsprozesse geraten, die häufig dazu führen, mehr oder weniger lange ausgegrenzt und marginalisiert zu werden. Dies führt nicht nur zu individuellen Verwerfungen, sondern auch zu erheblichen sozialen und finanziellen Belastungen der gesamten Gesellschaft, nicht zuletzt der Kommunen. Alle Investitionen, die präventiv und kurativ eingesetzt werden, führen letztlich mittel- und langfristig zu Kostenreduzierungen der öffentlichen Haushalte.
Gerade für Menschen, die aufgrund ihres sozialen, kulturellen und biographischen Werdeganges nicht hinreichend an den allgemeinen Teilhabeprozessen partizipieren können, sind die vorhandenen Hilfe- und Unterstützungsangebote oftmals nicht abrufbar. Sie kennen viele Angebote gar nicht oder sind überfordert mit den inzwischen hoch komplizierten Abläufen und bürokratischen Anforderungen. Die Hintergründe sind vielfältig. Wichtig erscheint eine passgenaue Informationspolitik sowie Ansprechbarkeit, die sich an den Sprach- und Bildungsressourcen der Betroffenen ausrichten und alltagsorientiert sowie niedrigschwellig in der sozialräumlichen Umgebung angeboten werden.
Von daher regen wir an, diesen Ausbau von Sozialberatungsangeboten in einer ersten Stufe in den genannten Stadtteilen anzusiedeln, da dort sowohl die Problemlagen nachgewiesen scheinen (Sozialindexe), als auch Zusatzbedarfe notwendig sind. Sie sollen in enger Kooperation mit der Quartiersarbeit aber auch mit anderen sozialen Institutionen vernetzt werden. In diesem Sinne wird es auch eine Aufgabe dieser neuen Hilfen sein, unter Umständen auf vorhandene Fachdienste und andere Unterstützungsakteure überzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Irene Vogel – Stv. Fraktionsvorsitzende
Felix Beuter – Stadtrat Prof. Günter Rausch –Stadtrat