Beim Thema Tariftreue ist Vertrauen gut, aber Kontrolle ist besser!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Anwesende,

„Tariftreue“!

 „Treue“, welch ein heeres Wort. Wem fällt da nicht Friedrich Schillers Bürgschaft ein? „Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn!“ Aber es geht hier nicht um Freundschaftsbeziehungen, sondern auf der einen Seite um knallharte wirtschaftliche Interessen und auf der anderen Seite elementare Grundbedürfnisse und soziale Arbeitsbedingungen.

Deshalb zitiere ich lieber ein anderes Sprichwort: „Trau, schau wem!“ oder mit Julia Söhne, deren Rede ich gerne unterschreiben würde: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“

Es geht im Kern um nicht weniger als den Schutz von arbeitenden Menschen, um deren Arbeits- und Lebensbedingungen und vor allem um eine gerechte Entlohnung. Soziale Gerechtigkeit steht auf dem Spiel und auch die Würde des Menschen.

Die Drucksache 23/144 beginnt dann auch steil und hoffnungsvoll: „Faire Löhne sind ein wichtiger Bestandteil guter Arbeitsbedingungen.“ Gut so.

Aber in der Vorlage ist dann überwiegend auch viel von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Gerichtsurteilen die Rede, die sich als Hemmnisse, Einschränkungen oder Verbote möglicher Kontrollchancen zur Wahrung sozialer und tariflicher Rechte darstellen.

Die Forderungen der Gewerkschaften zielen dagegen darauf ab, Ausbeutung sowie Lohn- und Sozialdumping zu unterbinden, ebenso die Vergabe an unseriöse Sub-Unternehmen zu verhindern. Es geht auch um fairen Wettbewerb, damit nicht die Unternehmen und Betriebe, die den Wert von Mitbestimmung und Tarifverträgen anerkennen, nicht länger im Nachteil gegenüber Unternehmen sind, die sich der Sozialpartnerschaft verweigern.

Wir sorgen uns um Millionen Menschen, die mit den Einkünften ihrer Arbeit nicht mehr über die Runden kommen. Fast eine Million Erwerbstätige beziehen trotz Lohn noch Bürgergeld, ehedem Harz IV, um wenigstens das Existenzminimum zu erhalten.

Wir wünschen uns, dass die Verwaltung in dieser, wie in anderen Fragen, zuvorderst die Perspektiven dieser arbeitenden Menschen und der anderen kleinen Leute einnimmt, die viel zu oft unter den unfairen Machenschaften am Arbeitsmarkt leiden.

Wenn Sie, Herr Oberbürgermeister, in Ihrer Vorlage beklagen, dass die von den Gewerkschaften geforderten externen Kontrollmöglichkeiten „einen Eingriff in Unternehmensrechte“ bedeuten würden, dann stimmen wir Ihnen zu. Ja, das ist ja des Pudels Kern, wir wollen und wir müssen entschieden eingreifen und kontrollieren.

Gerne zitiere ich Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Diese Verpflichtung der Unternehmen, sich am Gemeinwohl zu orientieren, ist die Basis dafür, dass wir mehr Eingriffe in die Wirtschaft und mehr Kontrolle konkret der Tariftreue fordern. Ein Beispiel für größere Achtsamkeit wurde mir gerade im Eingangsbereich des Rathauses zugesteckt: Demnach würde das Jugendhilfswerk, einer der größten Partner der Stadt Freiburg in der Kinder- und Jugendhilfe, mit rund 600 Beschäftigten, nach wie vor keinen Tarifvertrag für seine Beschäftigten anbietet. So etwas geht nicht. Da müssen wir einschreiten! Wir dürfen da nicht länger wegsehen.

Und ja, wir müssen notwendigerweise in die Rechte von Unternehmen eingreifen, wenn sie die sozialen und gewerkschaftlichen Rechte missachten. Wie wichtig das für uns alle ist, wird auch aus Zahlen deutlich, die mir der DGB heute Nachmittag zugesendet hat. Sie beklagen:

–    dass durch Tarifflucht und Lohndumping allein in Baden-Württemberg 10 Milliarden EUR bei den Sozialversicherungen und bei der Einkommenssteuer fehlen!  (Quelle: Aktuelle Berechnungen des DGB Ba-Wü) und

–  dass die Schadenssumme durch Schwarzarbeit sich in den Jahren 2020 bis 2022 im Gebiet Lörrach bis Offenburg rund 24 Millionen EUR beträgt (Quelle: Hauptzollamt Lörrach, Jahresergebnisse der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS).

Diese Gelder werden uns alle entzogen, während die Verantwortlichen darauf vertrauen, dass der Markt es richten werde und sich auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Unternehmensführungen einlassen.

Aber wir brauchen mehr externe Kontrollen, damit diese Millionen dringend für unsere Kitas und Schulen, für Mietstopp und zur Bekämpfung und Eindämmung der Folgen der Klimakatastrophe eingesetzt werden können. Deshalb unterstützen wir explizit auch alle in der Vorlage erwähnten Ideen und Maßnahmen einer stärkeren Kontrolle.

Unsere Fraktion steht jedenfalls voll und ganz hinter dem gemeinsam gestellten Antrag, auch wenn wir weitergehende Kontrollmöglichkeiten für notwendig halten. Wir sehen in diesem Antrag einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, ganz im Sinne von „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“