Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Anwesende,
die Kennzahlen des Finanzberichts zeigen wieder einmal eine deutliche Verbesserung, vor allem auf Basis der Gewerbesteuer und der Steuerzuweisungen.
Ein fast schon ritueller Vorgang, den wir bereits seit vielen Jahren kennen.
Wir müssen aber auch dieses Mal wieder kritisieren, dass mit diesen Verbesserungen nicht auch direkt spürbare soziale und kulturelle Projekte der Bürger:innen einhergehen.
Zahlreiche Chancen hätte es dazu in den letzten Monaten gegeben.
Für uns ist es wichtig, immer wieder herauszustellen, dass unter den aktuellen Krisen nicht alle finanziell und strukturell gleich leiden und einige sogar sehr gute Gewinne machen, während Menschen mit geringen Einkommen die Krisenlasten doppelt und dreifach treffen.
Umverteilung von Belastungen – von oben nach unten – sind weiter das Gebot der Stunde!
Maßnahmen wie Preisstabilität beim Sozialticket oder eine schnelle Umsetzung von Maßnahmen für mehr Bildungsgerechtigkeit in Weingarten und anderen Stadtteilen wären doch ohne weiteres finanziell möglich und auch notwendig gewesen.
Und auch der Sozialbericht weist doch genau auf diese Notwendigkeiten hin – Jahr für Jahr und auch dieses Mal ganz klar.
So richtig wir es finden, mit einem Teil der Verbesserungen die städtischen Gesellschaften und wichtige Infrastrukturprojekte der Stadt zu stützen und zu stabilisieren, so wichtig finden wir es auch – und immer auch gleichzeitig -, in die soziale und gesellschaftliche Stabilität zu investieren.
Das neue Haushalts-Credo, dass vor allem Investitionen in bauliche Infrastruktur gute Ausgaben sind und diese dadurch per se sozial sind, teilen wir so nicht ganz.
Denn die gebaute Infrastruktur, einer natürlich wachsenden Stadt, muss schlussendlich auch mit sozialem Leben gefüllt werden.
Man muss sich immer wieder klar machen, dass hinter jedem Euro, der vielen Menschen fehlt, eine nicht wahrgenommene Chance und Teilhabemöglichkeit steht
Und hinter jeder nicht wahrgenommenen Nachhilfestunde oder sozialen Begleitung stehen weniger Perspektiven, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden und auszufüllen.
Genauso wie der jahrelange Verfall öffentlicher Infrastruktur und der massenhafte Verlust an öffentlichen Sozialwohnungen uns heute auf die Füße fällt, fallen uns auch die Folgen von Verteilungs- und Bildungsungerechtigkeit auf die Füße.
Die Folgen sind eine zunehmende Entfernung von Politik, Fachkräftemangel auf allen Ebenen und immer mehr Menschen ohne Ausbildung in den Sozialsystemen.
Vielleicht abschließend noch: Ja, viele dieser Probleme haben ihre Ursachen in der Bundespolitik.
Da wir aber aktuell wenig Hoffnung haben, dass sich dort etwas zum Positiven verändert – alle Beobachter rechnen mit einem massiven Sozialabbau unter einem Kanzler Merz – sind wir der Meinung, dass es jetzt wichtig ist, die strukturelle und soziale Resilienzfähigkeit der Stadt Freiburg zu erhöhen.
Vor diesem Hintergrund ist eine leichte Erhöhung der Gewerbesteuer in Freiburg kein Teufelszeug, sondern kann uns auf lokaler Ebene den Spielraum verschaffen, Infrastruktur und soziales Zusammenleben gleichermaßen zu stabilisieren.
Hätten wir das im letzten Haushalt gemacht, hätten wir weitere 20 Millionen Euro in den letzten zwei Jahren zur Verfügung gehabt. Würden wir es diesmal machen, böte es uns die Chance, in sozialen und strukturellen Schlüsselbereichen endlich bestehende Knoten zu lösen, anstatt diese weiter von Haushalt zu Haushalt zu tragen.
Mit diesen Worten stimmen wir der Vorlage abermals trotz weiter bestehenden sozialpolitischen Leerstellen zu und vertagen die weitere Debatte unsererseits dazu in den anstehenden Doppelhaushalt.