Das Denken in der Sicherheitspolitik bleibt eindimensional

Portrait Felix Beuter

Herr Oberbürgermeister,

liebe Anwesende,

es ist ja nun nicht das erste Mal, dass wir in diesem Haus über die Sicherheitspartnerschaft sprechen und an den grundsätzlichen Argumenten des Für und Wider hat sich kaum etwas geändert, weshalb ich auch darauf verzichten werde, diese ganze Debatte – rund um die Abstrusität der Orientierung an einem nebulösen Sicherheitsgefühl, statt an Sicherheitsfakten – nochmals aufzurollen. Das gleiche gilt auch für die völlig überzogene Erweiterung des Vollzugsdienstes. Hier sind die Argumente hinlänglich ausgetauscht und es bleibt dabei, dass wir der Meinung sind, dass sie sich hier, mit ihrem fadenscheinigen Argument, er entlaste mit der Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten die Polizei, die sich dann um die Verfolgung von Straftaten kümmern könne, auf einem Irrweg befinden. Ist es in Wahrheit doch so, dass die Polizei selbstverständlich schon immer die Priorität auf die Verbrechensbekämpfung statt auf Ordnungswidrigkeit gelegt hat.

Dass der Oberbürgermeister die Erweiterung jetzt ohne Einbeziehung des Gemeinderats par ordre du mufti auf den Weg bringt zeigt ja auch, dass sich die Stadtspitze der politischen Rückendeckung für ihre Entscheidung keineswegs sicher sein kann, aber das sei nur am Rande erwähnt.

Der aktuelle Diskurs zeigt mal wieder deutlich, wie willkürlich Argumente für mehr vermeintliche Sicherheitsmaßnahmen herangezogen werden. Kam die so genannte Evaluation der Sicherheitspartnerschaft im Jahr 2020 in naivster post hoc ergo propter hoc-Logik noch zu dem Schluss, gesunkene Kriminalitätszahlen wären – auch ohne Überprüfung irgendwelcher anderen Einflussfaktoren – ein überzeugender Beweis für die Wirksamkeit der Sicherheitspartnerschaft und würden zeigen, wie dringend man sie braucht, so werden heute steigende Zahlen nicht etwa als Beweis ihrer Unwirksamkeit interpretiert, sondern einzig als Zeichen, dass man sie braucht.

Die Fakten spielen in diesen Debatten keinerlei Rolle, die Stadtspitze und der bürgerliche Block kommen am Ende immer zum gleichen Schluss: es braucht mehr Uniformen.

Heute steht ja nicht die Polizeiliche Kriminalstatistik auf der Tagesordnung, aber natürlich kommen wir nicht daran vorbei, trotzdem mal einen Blick hineinzuwerfen. Und da fällt auf, dass insbesondere ein Tatbereich massiv angestiegen ist, und das sind Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz und das Asylgesetz. Von den im Vergleich zum Vorjahr 12.936 zusätzlich begangenen Straftaten entfallen allein schon 8.908 Taten nur auf diesen Bereich. Das erklärt dann nebenbei auch, warum vermeintlich der Anteil, der durch migrantische Menschen begangenen Straftaten gestiegen ist. Man muss nur genug Gesetze erfinden, gegen die ausschließlich sie verstoßen können und unweigerlich wird auch ihr Anteil am Gesamtvolumen steigen.

Und es würde mich dann doch auch nochmal im Detail interessieren, wie viele der Straftaten im öffentlichen Raum, die ja hier meist für die größte Aufregung sorgen, am Ende reine Aufenthaltsverstöße sind.

Die Schwerpunktsetzung BTM-Bereich in diesem Papier erschließt sich uns nicht gänzlich, ist die Zahl der hier begangenen Straftaten doch deutlich rückläufig und das auch stärker als im baden-württembergischen Durchschnitt. Wir sind uns absolut zwar einig, dass es mehr Anstrengungen im Präventionsbereich insbesondere auch in den Schulen braucht. Aber da wären wir mit einer wirklich auskömmlichen Finanzierung der Freiburger Suchthilfe wohl deutlich besser bedient als durch eine Sicherheitspartnerschaft.

Was für uns indiskutabel ist, ist die Einbeziehung des sozio-kulturellen und integrativen Gesamtkonzepts für den Stühlinger Kirchplatz in die Sicherheitspartnerschaft, das ja auf unseren Antrag dazu zurückgeht. In diesem machen wir Vorschläge, welche Maßnahmen wir uns vorstellen können und wie gemeinsam mit der Bürger*inneschaft und insbesondere den Platznutzer*innen weitere entwickelt werden können. Eine wie der Vertragstext sagt, enge Verzahnung zwischen dem Gesamtkonzept und den polizeilichen Maßnahmen, gehört aber sicher nicht dazu. Man mag von den Großrazzien, die aktuell wieder medienwirksam auf dem Kirchplatz stattfinden, halten, was man will, aber integrativ sind solche Machtdemonstrationen mit Sicherheit nicht. Daher hat das Konzept absolut nicht in diesem Papier verloren.

Grundsätzlich positiv finden wir die Einbeziehung der Istanbul-Konvention. Hier sind wir gerne bereit, gemeinsam mit der Verwaltung an konstruktiven Maßnahmen zu arbeiten, wundern uns aber umso mehr, warum die Vorlage vom Februar dazu eigentlich so dünn geblieben ist, was konkrete Maßnahmen betrifft. Beispiele wären der Ausbau der Beratungs- und Unterstützungsstrukturen gegen Gewalt an Frauen* und Mädchen*, Aufklärungskampagnen, die sich mit Themen wie Vergewaltigungsdrogen auseinandersetzen, Awareness-Teams in Clubs, Schulungen für Nachtgastronomien, kritische Auseinandersetzung mit Männlichkeit in pädagogischen Einrichtungen oder noch vieles mehr. Hier erwarten wir mal Initiativen von der Regierungsbank, denn damit wäre der Stadt deutlich mehr gedient als durch die Erweiterung des VD.

Und damit komme ich auch schon zu meinem letzten Punkt, dem Ausbau der Nachtmediation, die sich im Gegensatz zum VD als Erfolgskonzept herausgestellt hat. Die Stadt räumt selbst ein, dass die Gesprächsangebote sehr gut aufgenommen werden, die überwiegende Mehrheit Verständnis zeigt und Anwohnende – selbst im Seepark – berichten, dass sich die Gesamtsituation mit der Anwesenheit der Nachtmediatoren erheblich verbessert habe. Diese Erfolge wurden dabei mit sehr viel weniger Stellenprozenten und finanziellem Aufwand erreicht, als der VD in Anspruch nimmt. Daher ist es schade, dass es erst die Initiative des Gemeinderats braucht, um diese erfolgreiche Maßnahme auszubauen.

Und auch die heutige Umsetzung in der Vorlage lässt einiges zu wünschen übrig. Im 34er Antrag, den eine breite Mehrheit des Gemeinderats unterzeichnet hat, wird eine schnellstmögliche Erweiterung um 4 50% Stellen gefordert. Was sie uns heute anbieten, sind 4 x 25%, wobei zwei davon – wenn ich das richtig verstehe – mit der aktuell nicht besetzten bereits bestehenden 50% Stelle verrechnet werden. Also kommen unterm Strich gewaltige 50% hinzu, statt der geforderten 200%.

Die Verschiebung einer echten Entscheidung hierzu auf den Herbst ist auch nicht wirklich nachvollziehbar, ist eine Mehrheit des Gemeinderats doch offensichtlich der Auffassung, eine Ausreichende Informationsbasis zu besitzen, um diesen Entschluss zu fassen. Und ganz ehrlich, schlechter als die Datenlage zum VD, ist die zu den Nachtmediatoren mit Sicherheit nicht.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.