Der Breisacher Hof muss sozial nachhaltig entwickelt werden!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Artilleriekaserne wurde vor rund 125 Jahren gebaut, im Westen der Stadt (damals stand da weit und breit nichts, nur der so genannte “Heidenhof“), mit dem 76. Regiment als Bollwerk gegen die Franzosen! Nach dem Krieg zogen viele ausgebombte Menschen hierher, weil von den acht Wohnblocks nur einer zerstört war. Manche blieben. Später kamen immer mehr Mieter_innen hierhin, die vor allem eine bezahlbare Wohnung suchten. In den 60er und 70er Jahren bereicherten die so genannten „Gastarbeiter-Familien“ die Vielfalt im Wohngebiet. Heute haben dort etwa 50 % einen Migrationshintergrund. Eines fällt besonders auf: Hier leben in einer besonders familien- und kinderfreundlichen Umgebung – sogar in Innenstadtnähe – auffallend viele Kids!

Und das, obwohl es schon heute überdurchschnittlich viele Kleinwohnungen gibt. Während im städtischen Durchschnitt eine Wohnung 70 qm hat, sind es hier 50.

Von daher ergibt es überhaupt keinen Sinn, die ohnedies unterdurchschnittlich vorhandenen Großwohnungen aufzulösen und noch mehr Kleinwohnungen zu bauen. Wir brauchen in diesem kinder- und familienfreundlichen Quartier für Menschen mit niedrigen Einkommen bezahlbare Familienwohnungen.

Aus der Voruntersuchung geht jedenfalls hervor, dass die Identifikation mit dem Quartier, das sich seit 1982 selbst den Namen Breisacher Hof gegeben hat, sehr hoch sei. Entsprechend ist die Fluktuation deutlich niedriger als im dem Stadtdurchschnitt. Die Leute leben gerne hier!

Städte- und sozialplanerisch halten wir es deshalb für unverzichtbar, dass der Gesamtcharakter dieses Quartiers im Kern erhalten bleibt.

In der Vorbereitenden Studie wird auf den jetzt schon existierenden großen sozialen Zusammenhalt verwiesen sowie auf eine „tief verwurzelte Selbstverantwortung“. Die u.a.
„führte dazu, dass Konflikte gelöst werden könnten und viele Probleme abgefangen würden.“ Es wird auf den Wohnausschuss, der seit 1974 existiert und eine Selbstorganisation der Bewohner_innen ist, verwiesen. Leider findet er sich in der Drucksache nicht wieder. Oder habe ich etwas überlesen?

Wogegen die größte Sorge der Bewohner_innen die nicht mehr bezahlbaren Mietpreise seien. „In den Sprechstunden wurden immer wieder Bedenken geäußert, dass steigende Mieten nach der Sanierung nicht bezahlt werden können.“ Weiter heißt es in Vorlage: „Der Anteil von finanziell schwachen Gruppen ist im Untersuchungsgebiet sehr hoch. Verbunden mit der langen, teilweise generationsübergreifenden Wohndauer im Gebiet hat sich hier ein Rückzugsort für Menschen mit wenig finanziellen Mitteln entwickelt.“

Das wurde mir in vielen Gesprächen, die ich jüngst wieder „im Hof“ führen durfte widergespiegelt. Es existiert die Angst, aus eigener Kraft die Miete nicht mehr zahlen zu können. Wir halten einen NETTO-Kaltmietpreis von rund 8,50 €/qm, also eine Warmmiete von mindestens 12 Euro für dieses Quartier für entschieden zu hoch. Wohlwissend, dass es anderswo noch teurer ist. Wohlwissend, dass es sich dabei um einen zeitlich limitiert gedeckelten Mietpreis für nur 15 Jahre handelt. Wohlwissend auch, dass die Vorlage ausdrücklich daraufhin weist, dass der letztlich zu zahlende Mietpreis erst nach der Schlussrechnung erfolgt, es also noch teurer werden kann.

Wir geben ferner zu bedenken, dass ab dem 10. Jahr bereits ein Modernisierungszuschlag von 110 % berechnet wird. Nach dem 15. Jahr dann schon die allgemeinen Regeln für freifinanzierte Mietwohnungen der Stadt gelten. Das führt letztlich zu der Sorge einer Gentrifizierung dieses Quartiers. Mir sagte eine Bewohnerin: „Du wirst schon sehen, eines Tages wohnen hier junge Ärztinnen und Ärzte der Uniklinik und wir müssen sehen, wo wir bleiben!“

Das wollen wir nicht zulassen.

Zu guter Letzt verweisen wir auf unseren Antrag auf eine 50%-Quartiersarbeitsstelle, damit analog zum Metzgergrün oder zum Lindenwäldle dieser gesamte Sanierungsprozess und da zähle ich auch das Projekt „Elsässer Straße i u. k“, das aus Projektsystemgründen hier ausgelagert wurde, aber dennoch relevant ist, hinzu. Hier geht es dann auch um Abriss und Neubau!

Zusammengefasst: Der Breisacher Hof ist ein ganz besonderes und wie ich meine, besonders liebens- und lebenswertes Quartier, das in seinem Kern, mit Mietpreisen, die für Normalverdiende selber bezahlbar sind erhalten und sozial nachhaltig entwickelt werden muss.

Vielen Dank.

  • Günters Rede zum Sanierungsverfahren Breisacher Hof in der Sitzung des Gemeinderats vom 25.04.2023