Sehr geehrter Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor etwas mehr als 20 Jahren wurde die Pfandpflicht in Deutschland eingeführt. Ziel war es, den Anteil von Mehrwegverpackungen zu erhöhen und die Umweltbelastung durch Einwegverpackungen zu reduzieren. Einige der heute Anwesenden werden sich vielleicht an die Debatte von damals erinnern. Sie unterscheidet sich weder in der Emotionalität noch in der Härte von den auch hier in den letzten Wochen geäußerten Argumenten der Gegner einer Verpackungssteuer.
Damals, 2003, war Hans Olaf Henkel Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie. Er bezeichnete die Pfandpflicht als „absurd“ und warnte vor negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Stattdessen forderte er freiwillige Lösungen und warf der Politik Symbolpolitik vor. Es fand auch ein sog. „Dosen-Gipfel“ statt. Da war Jürgen Trittin noch Umweltminister. Große Teile des Handels sperrten sich gegen die neuen Regelungen und die Einweg-Lobby machte mobil. Das war nicht erfolgreich und heute haben wir ein gut funktionierendes und akzeptiertes Pfandsystem.
Ein gut funktionierendes Mehrwegsystem stellen wir uns auch für Freiburg vor. Aber dann bitte gleichzeitig mit der Einführung einer Verpackungssteuer. Denn nur zusammen wird auch ein Schuh draus. Warum? Weil es längst eine Mehrwegpflicht gibt, diese aber nur bedingt eingehalten wird. Und weil es mit der freiwilligen Selbstverpflichtung einfach nicht zuverlässig funktioniert. Freiwillig Maske tragen während der Coronapandemie? Fehlanzeige. Keine Anschnallpflicht im Auto? Heute kaum vorstellbar.
Natürlich wäre eine bundeseinheitliche Lösung für eine Verpackungssteuer deutlich besser als ein regionaler Flickenteppich. Natürlich wäre ein bundesweites Verbot von Einwegplastik sinnvoller. Aber ganz ehrlich: Erwartet irgendjemand hier im Saal von der neuen CDU-geführten Bundesregierung sinnvolle Regelungen zu Müllvermeidung und Umweltschutz? Dann lasst es uns doch besser selbst in die Hand nehmen.
Was ich bedaure, ist, dass manche hier im Saal in der unterste Schublade der politischen Argumentationskiste gekramt haben und dabei so angestaubte Formulierungen wie „unmündige Bürgerinnen“ gefunden haben, die die Grünen und wir nur zum korrekten Handeln „erziehen“ wollen. So etwas schadet einer Debatte am Ende mehr, als es nützt. Was wohl die Bürgervereine, Teile der Gastronomie, zahlreiche Jugendliche und die Umweltverbände dazu sagen würden liebe FDP, wenn die wüssten, wie ihr hier argumentiert? Denn die haben sich in den letzten Monaten alle deutlich FÜR eine Verpackungssteuer ausgesprochen. Und das aus freien und ganz selbstbestimmten Stücken.
Auch das Getöse um die ach so böse Bürokratie, die in den letzten Monaten mehr und mehr als Monster versucht wurde zu diffamieren, ist mehr als bedauerlich. Bürokratische Abläufe sind nicht weniger als die kleine, manchmal nervige Schwester unserer Demokratie, die doch die meisten hier im Hause so dringend erhalten wollen. Und ja, es scheint oft so, dass der Regelungsbedarf in unserer Gesellschaft zugenommen hat. Da ist auch was dran. Aber dennoch oder besser gesagt, gerade deswegen sind die Handlungsspielräume der und des Einzelnen heute viel größer als früher.
Und ganz ehrlich: Das Bürokratiemonster, welches hier einige heraufbeschwören, eignet sich als Verkleidung für die nächste Freiburger Fasnet, aber nicht als Argument gegen die Verpackungssteuer. Es eignet sich vor allem dann nicht, wenn wir uns anschauen, wie wir die Verpackungssteuer konkret ausgestalten wollen. Und haben wir uns die Kritik von IHK und Dehoga zu Herzen genommen, weil sie teilweise berechtigt ist.
Deshalb haben wir konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht und schlagen u.a. vor, dass sogenannte „serviettenartige Papierbeigaben“ – etwa Papierunterlagen, die beim Verzehr mit der Hand vor Verschmutzung schützen – nicht besteuert werden. Eine solche Regelung kann die Akzeptanz erhöhen und schützt hygienische Standards, ohne das eigentliche Ziel – weniger Müll durch weniger Einwegverpackungen – zu gefährden.
Zudem schlagen wir die Prüfung eines Konzepts für eine begrenzte Ausgabe von Pfandgutscheinen vor und beauftragen die Verwaltung mit diesem Freipfand zum Beispiel gezielt an Schulen und die Quartiersarbeit zu geben und diese dort auszuteilen.
Ich bin zuversichtlich, dass mit dem heutigen Beschluss wenig Aufregung in der Bevölkerung und in Zukunft eine saubere Innenstadt und weniger Verpackungsmüll haben werden.