Die Wirkung auf die Beschäftigten scheint Ihnen weiter egal zu sein

Portrait Irene Vogel

Irenes Rede zu den Mehrerträgen/-zuweisungen aus Gewerbesteuer und Kommunalen Finanzausgleich und deren Verwendung für zusätzliche Bauunterhaltungsmaßnahmen sowie für die Kapital- und Liquiditätsstärkung im Konzern Stadt Freiburg im Haushaltsjahr 2022

Noch nie waren Freiburgs Gewerbesteuereinnahmen höher als 2021.

Die Anteile der Einkommenssteuer und FAG Umlagen sind ebenfalls stark gestiegen. Der Haushalt schließt mit 54 Mio. Mehreinnahmen ab.

Resultat daraus ist auch ein enormer Zahlungsmittelüberschuss von 85 Mio. In guten, früheren Haushaltsjahren lag er durchschnittlich bei 65 Mio. Im Plan 21 waren magere 25 Mio. ausgewiesen.

Dieses Ergebnis lässt für unsere Fraktion und die weiteren Mitzeichner unserer Anträge nur einen Schluss zu: die als absolute Notlage begründete Aussetzung der Weitergabe der Tariferhöhungen 21/ 22, muss mit Wirkung zum April 22 beendet werden. Schließlich haben Sie damit einen dauerhaft gültigen Beschluss und einen Rechtsanspruch einmalig ausgesetzt. Ihre damals genannten Gründe sind angesichts der Zahlen unhaltbar. Wir werten es als katastrophales Signal gegenüber allen Beschäftigten, weiterhin zu verlangen, die Tariferhöhung durch Einsparungen bei Sachkosten, durch Wiederbesetzungssperren, durch Leistungskürzungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, bei sozialen Beratungsstellen und –diensten oder durch verkürzte Verfügungszeiten für Elternberatung in den Kitas zu erwirtschaften.

Im Übrigen wäre es interessant zu wissen, ob diese Tariferhöhungen bei den freien Trägern überhaupt weitergegeben wurden. Wir möchten deshalb anregen, dies im Verwendungsnachweis 2022 abzufragen, ebenso welche Träger sich überhaupt an den TVöD gebunden fühlen, oder in Anlehnung an diesen, ihre Beschäftigten bezahlen.

Subjektiv wie objektiv haben alle Beschäftigten, ob bei der Stadt oder den freien Trägern aus unserer Sicht diese und weitere Tariferhöhungen mehr als verdient. Vor allem jene, die sich während der Pandemie noch mehr um die Sorgen und Nöte unserer Stadtgesellschaft kümmern und viele Menschen unterstützen und auffangen mussten. Ich denke da zu allererst an diejenigen in den Sozial- und Erziehungsberufen, deren MantelTarifverträge derzeit neu verhandelt werden. Eine Frechheit, dass sie auch nach der zweiten Verhandlungsrunde immer noch auf ein Angebot der kommunalen Arbeitgeberinnen warten müssen. Sie fordern v.a. bessere Arbeitsbedingungen.

Wie diese Drucksache zeugt auch das Verhalten der kommunalen Arbeitgeber von 0 Respekt gegenüber den Beschäftigten. Vor allem aber von Kurzsichtigkeit. Denn das führt nur zu zunehmend mehr Langzeiterkrankten und einem Fachkräftemangel bei der Stadt, in den Kitas oder anderen Diensten freier Trägern. Im Sozial- und Erziehungsdienst kündigen immer mehr oder denken darüber nach, weil sie dauerhaft überstrapaziert sind und weiter werden.

Und wer bitte schön, soll unter diesen Voraussetzungen solche Berufe neu ergreifen? Ich kann nur sagen: Falsch gespart! Wann begreifen sie endlich, dass sich die Katze in den Schwanz beißt, wenn sie vor allem bei den freien Trägern nicht für ordentliche Arbeitsbedingungen und gerechte tarifliche Bezahlung sorgen, wenn der Fachkräftemangel weiter zu statt abnehmen wird. Und die Lücke, die durch 2 Jahre Personalbudget-Deckelung entsteht, wird weiter Jahr für Jahr ein Loch aufreißen. Höhere Sachkosten durch steigende Inflationsraten und Energiepreise kommen oben drauf. Je kleiner der Träger, je schwerer zu kompensieren.

Eine große Verwaltung hats da leichter. Ob Stadt oder großer Wohlfahrtsverband. Wenn der GesamtPersonalrat der Stadt seinen Frieden mit dieser Drucksache gemacht hat, weil ihm für künftige Haushaltsjahre wieder bessere personelle Ausgangs-bedingungen versprochen werden, können wir nur anregen, über die Gesamtkonsequenzen als Signal auf den Fachkräfte- und Ausbildungsmarkt generell und damit auch für die Stadtverwaltung nachzudenken.

Mit dem zweiten Finanzbericht im November 21 war schon klar, dass die Verwaltung mit Ihrem Haushaltsplan daneben lag, weil sie von extremen Mindereinnahmen ausgegangen war. Das wollen wir Ihnen nicht zum Vorwurf machen – wie sich diese Pandemie tatsächlich auswirkt, konnte niemand voraussehen. Wohl auch nicht, dass unsere Stadt durch Pfizer und andere Gewerbesteuerzahlerinnen zu den Corona-Gewinnerinnen zählen würden. Unsere Fraktion hatte im Haushalt eine leichte Gewerbesteueranhebung beantragt. Mit dem Mehrertrag wäre eine Eishalle locker in kürzester Zeit finanziert, wurde aber allseits abgelehnt. Begründung war, die psychologische Wirkung auf die Unternehmen wäre fatal. Wir hatten auch beantragt, wenn es bedeutende Mehreinnahmen geben sollte, diese auch für die Beschäftigten zu verwenden. Doch nun kommen sie uns so – ohne Angebot für die Beschäftigten. Damit haben sie bei unserer Fraktion die rote Linie überschritten. Denn die psychologische Wirkung auf die Beschäftigten scheint Ihnen nach wie vor egal zu sein.

Anstatt dessen unterbreiten Sie uns recht willkürliche Vorschläge, wie die enormen Mehreinnahmen zum Teil verwendet werden sollen. Mehr Bauunterhalt, Verlustabdeckung Stadtwerke, Stärkung der FSB. Keiner dieser Vorschläge ist falsch, alle notwendig und im nächsten Haushalt fällig. Und wer kann schon nein sagen zu 3 Mio. für die Ukraine Flüchtlings-hilfe? Sie scheinen wenig Vertrauen in Bund und Land zu haben, dass uns dieses Geld wie für 2015 ff selbstverständlich erstattet wird. Wir bewerten Ihre Drucksache deshalb insgesamt als „Hamstern für schlechtere Zeiten“. Das mag bei den Schwaben in Remshalden, BM Breiters letzter Wirkungsstätte, opportun sein. In einer wachsenden Großstadt wie Freiburg wäre es hingegen klüger, Investitionen in Menschen und Infrastruktur nicht in erster Linie als steigende Schulden, sondern v.a. als Investitionen in die Zukunft zu begreifen. Alles andere führt zu Stillstand und Rückschritt. Wir werden uns folglich bei der Abstimmung enthalten.

Schon die Masse an vorliegenden Ergänzungsanträgen zeigt, dass Sie den Gemeinderat nicht mitgenommen haben. Wenn schon kein Nachtragshaushalt, so hätten wir zumindest erwartet, dass sie die Fraktionen in Ihre Verteilungspläne konsensual einbeziehen.

Jetzt haben wir den Salat: 6 vorliegende Ergänzungsanträge, allein 4 von der SPD-Kulturliste. Die meisten davon zeichnen wir deshalb mit, weil diese Bedarfe im letzten Haushalt schon unberücksichtigt blieben oder unter den Tisch fielen: vorneweg das Westbad Außenbecken, ein Ideenwettbewerb für die Stadthalle, ein mögliches Nutzungskonzept für das Haus zum Herzog.

Zweifellos sind all diese Anträge wichtig, sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die SPD die Beschäftigten hängen lässt. Von den Grünen und der CDU haben wir das nicht anders erwartet.