Ein Haushalt auf Kosten der sozialen Balance in der Stadt

Dieser Haushalt steht unter heftigem Beschuss. Einige Fraktionen werden ihn wohl ablehnen, weil er nicht ohne Neuverschuldung auskommt, sie lehnen aber gleichzeitig eine Erhöhung der Gewerbesteuer ab, mit der dauerhaft die Einnahmesituation verbessert werden könnte – und müsste. Für uns ist dieser Haushalt ein schlechter Kompromiss auf Kosten einer sozial gerechteren Stadt.

Bei dem vorliegenden Entwurf handelt es sich um eine Momentaufnahme. Angesichts der wieder anziehenden Konjunktur, der vollen Auftragsbücher nicht nur in der Industrie auch im Handwerk, bestehen begründete Anhaltspunkte dafür, dass sich die Einnahmesituation der Stadt deutlich besser entwickeln wird, als wir jetzt annehmen. Wir wissen aus verschiedenen Untersuchungen, dass arme Menschen unter den Folgen der Corona-Pandemie besonders leiden. Es sind dieselben, die in besonderer Weise auf ausreichende staatliche Leistungen angewiesen sind. Deshalb ist es grundfalsch, im sozialen Bereich zu sparen. Hier gilt einmal mehr: „Falsch gespart kommt richtig teuer“.

Keine Alternative ist es, das Haushaltsdefizit auf Kosten des sozialen Wohnungsbaus auszugleichen, wie es u.a. CDU und Freie Wähler beantragen. Den hier endlich eingeschlagenen Kurs einer Forcierung des Mietwohnungsbaus, insbesondere des öffentlich geförderten, zu torpedieren ist der eigentliche Skandal der Anträge zum Haushalt. Die von der Verwaltung vorgelegte Drucksache zur Aufhebung bzw. Abänderung bereits vom Gemeinderat beschlossener wichtiger Projekte lehnen wir ab. Die Umsetzung des Westbads, die Sanierung der Max-Weber-Schule, die dynamischen Erhöhungen der Personalausgaben auch im Kulturbereich hätten weitergehen müssen!

Stopp der Weitergabe der Lohnerhöhungen verschärft soziale Ungleichheit

Der vorliegende Haushalt erscheint damit in Teilen fast so bleiern, wie diese Zeit selbst. Anstatt notwendiger Weiterentwicklung bildet er doch in zentralen Bereichen lediglich den Status Quo ab und leistet zu wenig für Investitionen in Schulen, in Kita- und Schulkind-Betreuungsplätze. Wir stellen strittig, dass die Sanierung der Max-Weber-Berufsschule trotz unerträglicher Zustände wieder hintenangestellt werden soll. Ferner beantragen wir Schulsozialarbeit auch für SBBZ’s.

Inakzeptabel ist die faktische Kürzung der Personalkostenbudgets der städtischen Ämter und der Zuschussempfängerinnen. Zynisch ist es zu verlangen, das Personal solle – trotz steigender Verantwortung – seine eigene Tariferhöhung durch Wiederbesetzungssperren, Arbeitsverdichtung und Abbau von Stellenanteilen kompensieren. Alle Care-Arbeitenden haben mehr verdient. Die Überlastung dieser Berufsgruppen und Ehrenamtlichen wird steigen, der Sozialabbau wird sich verschärfen. Gerade jetzt müssten Menschen in Solo-Selbständigkeit, Niedriglohngruppen und Transferbezug besonders gestärkt werden, die Krise trifft sie wirtschaftlich wie psychisch am härtesten. So aber wird die soziale Ungleichheit verschärft.

Zur Kultur: Wahrlich – ohne sie ist’s still. Umso mehr sehen wir unsere kommunale Kulturpolitik in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass in diesem Ausnahmezustand keine Künstler*innen, keine einzige Kulturinitiative oder noch so kleine Spielstätte verloren gehen. Unsere erfolgreichen Anträge für einen Kultur-Nothilfefond und für Festivals in allen Sparten sollen helfen, im Kultursommer 2021/2022 möglichst viele Kulturschaffende wieder sichtbar und hörbar zu machen.

 Mehr Investitionen und Ausgaben sind notwendig, gerade in der Krise!

Dass dieser Haushalt eine harte Nuss wird, war klar. Das liegt in erster Linie an den Auswirkungen der Corona-Pandemie, aber auch an der konservativen „Maß und Mitte-Haltung“ ebenso wie am Motto der Grünen „Alles fürs Klima“. Denn im Umkehrschluss bedeutet es ja leider „Weniger für Soziales“. Die junge und engagierte Zivilgesellschaft geht allerdings nicht auf die Straße mit der Forderung, Schulden abzubauen, sondern mehr in Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zu investieren.

Schulden sind – bis zu einem gewissen Grad – eine Art Nebeneffekt kommunalen Handelns. Denn Schulden, gerade in Zeiten einer Pandemie, sind ja in erster Linie ein Zeichen dafür, dass mehr Ausgaben für die Wirtschaft gemacht wurden, als über Steuern aus der Wirtschaft wieder herausgezogen werden. Wenn wir als Kommune aber sparen, um Schulden abzubauen, wird in der Konsequenz aber auch weniger in Aufträge, Arbeit und Einkommen investiert. Wir halten das für falsch.

Dennoch ist vieles gut in diesem Haushalt, weil wir deutliche Fortschritte beim Klimaschutz und der Verkehrswende verzeichnen können: Energieeffizienz in Gebäuden, Blockheizkraftwerke und Photovoltaik auf Schuldächern. Dazu die erfolgreichen Anträge zu Haltestellen in Randlagen und Mehrausgaben für den Fuß- und Radverkehr.

Gerechtigkeitskrise, Klimakrise und Corona-Folgen sind große, aber nicht die einzigen Herausforderungen in den nächsten Jahren. Gerade für die Innenstadt werden wir viel Geld ausgeben müssen, um hier strukturell, rettend und stabilisierend zu gestalten. Da helfen Werbekampagnen und schöne Blumenkästen wenig.

Unsere Fraktionsgemeinschaft steht diesem Haushalt wegen seiner Fehlstellen im Sozialbereich kritisch gegenüber. Die Stadträt*innen der Linken Liste werden ihm dennoch zustimmen. Die Stadträt*innen der Grünen Alternative und der Unabhängigen Frauen werden sich enthalten.

  • Michel Moos, Irene Vogel und Lina Wiemer-Cialowicz