Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Anwesende,
pünktlich zum Spatenstich für den Neubau-Stadtteil Dietenbach kam heute der Kanzler an die Dreisam. Er sagte viel dazu, dass der Wohnungsbau die zentrale Herausforderung unserer Zeit ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssen, aber auch dass dazu Mut und ein langer Atem gehört. Doch er und seine Regierung haben bisher wenig dazu getan, dass auch hier in Dietenbach bezahlbarer preisgünstiger Wohnraum entstehen kann, den die Menschen brauchen.
Im Gegenteil: In der aktuellen Politik der Ampelregierung fehlen zuverlässige und ausreichend finanzierte Förderprogramme für den sozialen Wohnungsbau. Ebenso fehlt die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinützigkeit, um insbesondere den kommunalen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau zu unterstützen. Auch ein bundesweiter Mietendeckel ist leider nicht in Sicht!
Die aktuelle Bundespolitik macht alles zunichte, was die Kommunalpolitik in den letzten Jahren mühsam und gegen die diversen Krisen aufgebaut hat. Zur zwingenden Umsetzung der 50%-Quote für den sozialen Wohnungsbau im neuen Stadtteil und seinen möglichst nachhaltigen Charakter, braucht es deutlich mehr Unterstützung von Bundes- und Landespolitik.
Ein Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik ist längst überfällig!
Eine starke und verbindliche Förderung – vor allem der gemeinwohlorientierten und nicht-profitgetriebenen Wohnungsbestände – in öffentlicher und demokratisch kontrollierter Hand ist alternativlos.
Wir brauchen leistbare Wohnungen, Wohnungen für Menschen mit niedrigen Einkommen, Wohnheime für Azubis, die ich mir während meiner Ausbildung auch gewünscht hätte, Wohnheime für Senior:innen, für Pflegekräfte, für Menschen mit besonderen Bedarfen.
Das ist es, was uns in Freiburg fehlt – nicht Wohnungen mit Marmorböden, Luxusbädern und großkotzigen Küchen – denn das kann jeder Bauträger machen.
Ein neuer Stadtteil ist nur dann notwendig, wenn er wirklich einen Beitrag für leistbaren Wohnraum darstellt und dessen Umsetzung möglichst wenig auf Kosten wichtiger ökologischer Grundlagen erfolgt.
Die vielfältige Klima-Funktion des Waldes zwischen den beiden Stadtteilen muss viel stärker berücksichtigt werden. Daher ist es zwingend notwendig, sehr viel Wald zwischen den Stadtteilen und an den Stadtteilgrenzen zu erhalten. So erwarten wir, dass der nördliche Waldteil aus den Bebauungsvorsätzen entfernt wird und Wald bleibt und nicht bebaut wird, weder mit Town- noch sonstigen Häusern.
Grundsätzlich steht und fällt für uns alles aber mit der zwingenden Umsetzung der 50%Quote für den sozialen Wohnungsbau. Wir müssen uns ganz klar machen, dass das nur funktionieren wird, wenn Land und Bund endlich liefern. Frau Razavi sagte heute: ‚Sie haben das Land an Ihrer Seite‘ – nun, dann warten wir ab, was wann und wieviel geliefert wird.
Eine jede andere Politik ist vor dem Hintergrund des massiven Rückgangs an Sozialwohnungen in den letzten Jahrzehnten nicht mehr hinnehmbar. So gab es 2010 bundesweit noch rund 1,6 Mio. Sozialwohnungen und zehn Jahre später, also 2020, nur 1,13 Mio, das ist ein Rückgang um gut ein Drittel (32%). 2022 baute man in B-W nach Angaben der L-Bank 2137 Sozialwohnungen, wobei aber gleichzeitig 1431 Sozialwohnungen aus der Bindung fielen.
Gerne auch ein konkretes Beispiel aus Freiburg zur Veranschaulichung: Im ganzen Stadtteil Landwasser z.B. gibt es nur noch ca. 110 Wohnungen, die gefördert werden, und diese befinden sich in der AWO-Seniorenwohnanlage.
Gefördert werden müssen nicht nur in Dietenbach vor allem gemeinwohlorientierte Wohnungsbestände und Wohnungen in öffentlichem Besitz – nicht-profitgetrieben, demokratisch verwaltet und mit dauerhaften Sozialbindungen, die nicht – wie im Rieselfeld – schon nach 10 Jahren auslaufen.
Daher ist unsere Forderung auch hier: eine Bindungsdauer darf nicht wie im Rieselfeld nur auf 10 Jahre angelegt sein, sondern auf mindestens 30 Jahre, damit sich die Aussage für ein sozial-gemischtes und inklusives Quartiers auch bewahrheitet.
Das bedeutet aber auch, dass die in Bund und Land vertretenen Parteien in ihren Regierungen jetzt konkret werden müssen und mehr tun für leistbaren Wohnraum und die Förderbedingungen den aktuellen Rahmenbedingungen dringend und umgehend anpassen.
Es braucht mehr transparente Informationen und Kommunikation zum Projektverlauf, mehr Bauflächen-Begehungen zu verschiedenen Themen und bewusst gesuchte Diskurse. Vor Dialogen auch zu schwierigen Fragen und zu Zielkonflikten zwischen Städtebau, ökologischen und sozialen Bedarfen darf sich niemand scheuen. Ein Kanzler-Spatenstich und ein Info-Stand auf dem Platz der Alten Synagoge sind dazu leider nicht ausreichend.
Und zum Abschluss: Oberbürgermeister und Kanzler sagten heute mehrfach „Nicht meckern, sondern machen.“ Nun ja. Einen neuen Stadtteil bauen kostet viel Geld, aber es muss uns als Kommune auch zur Verfügung gestellt werden. Wir können versprechen, dass wir weiter meckern werden, ganz besonders wenn die 50%-Quote zu kippen droht…
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.