Seit 2018 hat sich Deutschland mit der Istanbul-Konvention verpflichtet, auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene gegen geschlechtsspezifische, sexualisierte und häusliche Gewalt an Frauen und Mädchen systematisch vorzugehen. Die Notwendigkeit ist offensichtlich, denn grundlegend positive Entwicklungen bleiben aus. Die Bilanz ist Jahr für Jahr erschreckend: Jeden dritten Tag geschieht in Deutschland ein Femizid – Morde an Frauen durch (Ex-)Partnergewalt. Auch in Freiburg gibt es steigende Zahlen sexuellen Missbrauchs und Nötigung. Die Verbreitung pornografischer Darstellungen durch Erwachsene – neu auch durch Jugendliche selbst, die sog.
„Schulhof-Pornografie“ – hat sich seit Corona gar verdreifacht. Die Dunkelziffer häuslicher Gewalt ist coronabedingt ebenfalls gestiegen. Sexualisierte Übergriffe auf queere Menschen nehmen auch zu, werden aber immer noch nicht statistisch erfasst. Weiterhin strafbar sind Genitalverstümmelungen und Zwangsheirat, Anzahl ebenso unbekannt. Eines haben all diese Gewalttaten gemeinsam: Sie verursachen Angst, zerstören Menschenleben und haben weitreichende Folgen für die Opfer und ihre Familien, doch auch für die Gesellschaft.
Gewalt ist ein hoher Kostenfaktor
Seit drei Jahrzehnten haben wir ein differenziertes Beratungs- und Hilfeangebot für Opfer nach sexualisierter und häuslicher Gewalt. Dessen Finanzierung hat die feministische und Frauenbewegung der 80er-Jahre sukzessive erkämpft.
Die Stadt finanziert ein Gutteil, manches auch als sog. freiwillige Leistung. Das Frauen-Nachttaxi ist eine solche Leistung und jeden Euro wert, bietet es doch Frauen und jugendlichen Mädchen effektiven Schutz vor Gewalt im öffentlichen Raum. Zu früh wäre eine Bewertung darüber, ob der Rückgang an Vergewaltigungen/ schweren Übergriffen 2021 in direktem Zusammenhang steht. Es wird jedenfalls weit mehr genutzt, als bei Einführung angenommen. Weil die städtischen Kosten dadurch steigen, werden wir uns im Haushalt 2023 / 24 dafür einsetzen, dass es für die Nutzerinnen nicht teurer oder schlechter wird. Wir sind auch bestrebt, die Hilfeangebote für Opfer und Angehörige zu stärken, da wo mehr Gewalttaten zu erhöhtem professionellem Unterstützungsbedarf geführt haben.
Grundlegend bekämpft werden kann sexualisierte und häusliche Gewalt jedoch nur, wenn Prävention zielgerichtet ausgebaut wird. Dafür müssen differenziertere Daten erhoben und ausgewertet, mehr Öffentlichkeitskampagnen und Fortbildungen entwickelt, Jung und Alt mehr für diese ungeheure Problematik sensibilisiert werden. Daran arbeiten wir – auch mit diesem Artikel und mit einer aktuellen Anfrage.
(Irene Vogel / Lina Wiemer-Cialowicz