Sehr geehrter Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben über die Freiburger Innenstadt in den letzten Monaten beinahe so viel gesprochen wie über die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Ende Juni 2021 saßen wir hier im Bürgerhaus zusammen und haben damals unter TOP 14 „Belebung der Innenstadt“ darüber gesprochen, wie wir uns eine lebenswerte Innenstadt vorstellen. Damals waren unsere Ideen noch eher theoretischer Natur, aber auch in unserer Rede vor 12 Monaten fielen schon Ideen wie: politische Steuerung durch aktive Liegenschaftspolitik, Vorkaufsrechte für Innenstadtimmobilien, Park-and-Ride am Stadtrand kombiniert mit kostenlosem Nahverkehr am Wochenende. Und uns war klar: Die Innenstadt geht uns alle an und sie gehört ins Zentrum politischen Handelns. Wir haben auch gesagt, dass das nicht umsonst zu haben ist. Denn eine öde Innenstadt können und sollten wir uns nicht leisten.
Dann kam Ende September die Nachricht über die Schließung der Kaiser-Modehäuser. Für uns nicht überraschend, aber dann doch früher als erwartet. Im März fand dann schließlich das Innenstadtkolloquium statt. Ein Satz aus dieser Veranstaltung ist mir besonders im Ohr geblieben: „Es sterben nicht die Innenstädte, sondern es stirbt ein Geschäftsmodell.“
Was heißt das? Es heißt, dass der stationäre Einzelhandel sich verändert und wir überlegen müssen, wie wir kommunalpolitisch mit den Folgen umgehen. Aber auch der Einzelhandel selbst muss einiges dafür tun und sich überlegen, wie er überleben möchte.
Das Schöne an dem genannten Zitat ist, dass es gut in unsere politischen Vorstellungen von einer Innenstadt der Zukunft passt – mit besserer Aufenthaltsqualität ohne Konsumzwang. Das, was als wirtschaftlich-kulturellen Niedergang der Innenstädte beschrieben wird, versuchen wir nun im besten Fall kommunalpolitisch abzufedern, indem wir hier und da kleine Schräubchen drehen. Welche Schräubchen das sein können zeigen die vier Vorlagen, die wir jetzt debattieren.
Der Vorlage zu den Münsterplatzkonzerten stimmen wir zu und fordern wie schon im Hauptausschuss, dass für diese Konzerte kostenfreie Tickets von den Veranstalter*innen zur Verfügung gestellt werden.
Die Vorlage zum Colombipark wurde erst aus der Umsetzungsliste gestrichen, dann zurückgezogen und später überarbeitet.
Wir sind davon ausgegangen, dass unser für die heutige Sitzung gestellter Antrag abstimmungsfähig ist. Jetzt ist der Antrag offensichtlich aufgrund des Bauverlaufs unrealistisch und nicht abstimmungsfähig. Aber warum haben wir den Antrag überhaupt gestellt? Wir hoffen sehr, dass der Lokalverein Innenstadt die angekündigten Spenden in Höhe von 300.000 € auch einnehmen wird. Aber so eine Absichtserklärung in die offizielle Finanzierungsgrundlage der Umbaumaßnahmen aufzunehmen, ist mindestens zu hinterfragen. Wenn meine Fraktion beim Thema Westbad sagen würde, dass ganz bestimmt mit 1 Mio. € an Spenden aus dem Stadtteil zu rechnen sei, würde das nie und nimmer in eine seriöse Finanzierungsgrundlage aufgenommen werden. Meine Fraktion wird der Vorlage daher nicht zustimmen bzw. sich enthalten. Wir bedanken uns aber ausdrücklich für die vorgenommenen Änderungen bei den Themen Barrierefreiheit, Öffnungszeiten Kontaktladen und Prüfung einer Hocktoilette für Frauen.
Der Vorlage zu den Aktionsveranstaltungen des Einzelhandels können wir zustimmen und freuen uns, dass sich damit hoffentlich die Diskussion um verkaufsoffene Sonntage endgültig erledigt hat. Besonders begrüßen wir die Einführung der insgesamt fünf fahrscheinlosen Samstage und hoffen, dass dies auch nach der Durchführung mehrmals im Jahr möglich sein wird.
Und wie stehen wir zur Innenstadtstrategie?
Für uns stellt sich, wie schon vor 12 Monaten, eine Frage: Wie viel Konsum braucht die Innenstadt? Und wie viele Konsumorte braucht die Innenstadt? Unsere Antwort: So viel Konsum wie nötig; so wenig Konsumorte wie möglich. Unerlässlich für eine lebendige Innenstadt sind zudem die Verbesserung der Zugänglichkeit, also der Erreichbarkeit der Innenstadt, bessere Mobilitätsangebote und Barrierefreiheit. Dass ausgerechnet Freiburg keinen barrierefreien Hauptbahnhof hat, ist eine eigene Geschichte und zeigt, dass sich die Bahn bei der Verkehrswende meist selbst im Weg steht.
Auch ist die Förderung einer stärkeren Mischung des Einzelhandels mit Gastronomie und Wohnen ein Aspekt, den wir verfolgen wollen. Nicht zu vergessen die Themen Kunst und Kultur. Denn erst die machen eine zukunftsfähige Innenstadt lebendig und vor allem sehenswert. Wir finden, dass die Freiburger Museen und die Kunst- und Kulturschaffenden mehr in den geplanten Dialogprozess mit eingebunden werden sollten, um gemeinsam zu erarbeiten, wie Kunst und Kultur als Standbein der Innenstadt weiterentwickelt werden können.
Zuletzt müssen wir das Thema Arbeit in der Innenstadt weiterdenken. Vor diesem Hintergrund muss auch diskutiert werden, welche Auswirkungen ein Umzug des Landratsamtes in den Stühlinger hätte. Aus heutiger Perspektive sagen wir: Ja, erstmal keine schlechte Idee. Aber auch nur, wenn auf der Fläche des heutigen Landratsamtes bezahlbarer Wohnraum entstehen kann, sodass Menschen nahe der Innenstadt wohnen können.
Für uns ist also wichtig:
· weniger Konsum und wenn Konsum dann durch differenzierte Einkaufserlebnisse,
· gute Erreichbarkeit und Barrierefreiheit,
· stärkere Mischung von Einzelhandel, Gastronomie, Wohnen und Arbeiten,
· und Sichtbarmachung von Kunst und Kultur.
Keine leichten Aufgaben liegen da vor uns, aber der Antrag für das Programm zukunftsfähige Innenstädte und Zentren ist ein guter erster Schritt. Der Vorlage stimmen wir zu.
Vielen Dank!