Linas Rede zu angestrebten Verwaltungsreform der Stadt Freiburg

Portrait Lina Wiemer-Cialowicz

Verwaltungen und Bürokratie haben ein schlechtes Image: Zu groß, zu langsam, zu kompliziert. Wenn man Verwaltungen hier und dort verkleinere, könne nicht nur Geld gespart sondern sogar Bürokratie abgebaut werden. Bürokratieabbau ist überhaupt eine der häufigsten Forderungen. Letzte Woche Dienstag verabschiedete der Bundestag ein Maßnahmenpaket für sog. Bürokratieerleichterungen. Im Paket heißt es, dass Wirtschaft, staatliche Stellen und Bürgerinnen und Bürger „noch weiter von Bürokratie entlastet werden sollen“. Das Paket scheint sinnvoll zu sein. Jedoch ist das Bild von Bürokratie als Last nicht nur einseitig sondern auch falsch. Denn Bürokratie und moderne Verwaltung sind eine Ermöglichungsbedingung von Demokratie und Gleichberechtigung und können Diskriminierung und Korruption verhindern.

Dennoch ist die Forderung nach einer schlanken Verwaltung nicht nur auf der Bürgermeisterbank sondern auch im Gemeinderat mehrheitsfähig. Aber schlanke Verwaltungen sind nicht krisenfest. Die Corona-Pandemie zeigt doch deutlich die Relevanz einer stabilen öffentlichen Verwaltung und Infrastruktur. Jetzt bietet nicht jedes Verwaltungshandeln Grund zur Freude, berechtigte Kritik gibt es. Aber liegt das an den Verwaltungen? Nein, es liegt viel mehr an einer Politik, die seit 1991 dazu beigetragen hat, dass der Öffentliche Dienst deutschlandweit um 30 Prozent schrumpfte. Zuwächse gab es, aber vor allem im Bereich kommunaler Kindertagesstätten und der Polizei.

Auch ein Blick über die Grenzen ist erhellend: Er zeigt, dass Deutschland im Vergleich zu den skandinavischen Ländern oder auch Frankreich einen deutlich kleineren Verwaltungsapparat hat. In Frankreich arbeiten 22 Prozent aller Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. In den skandinavischen Ländern liegt dieser Anteil bei 30 Prozent und das nicht obwohl sondern weil sie im Bereich Digitalisierung das Feld anführen.

Der Durchschnitt von 33 OECD-Ländern liegt bei knapp 18 Prozent. Und jetzt raten bitte alle wie hoch dieser Anteil in Deutschland ist…. Er liegt bei 10 Prozent. Entsprechend niedrig sind in Deutschland auch die Ausgaben für den Öffentlichen Dienst. Der deutsche Verwaltungsapparat ist also gerade nicht aufgebläht sondern oft unterbesetzt bei gleichzeitiger Verdichtung der Arbeitsprozesse.

Ob das für unsere Verwaltung auch gilt, müssen wir jetzt prüfen. Aber erst einmal beschließen wir nächste Woche ja auch den Stellenplan für ‘21 und ‘22, der richtigerweise 129 neue Planstellen ausweist, weil die Verwaltung genau weiß, dass neue und intensive Aufgaben zu bewältigen sind. Der Personaletat wird damit aber noch größer. 2021 ist er mit 255 Mio € hoch, sehr hoch sogar. Dort zukünftig Einsparungen vorzunehmen liegt auf der Hand. Aber das ist zu kurz gedacht. Denn die Gehälter fließen doch zum Teil auch wieder indirekt an die Kommune zurück per Miete, Konsumausgaben und Steuern. Und bedenken müssen wir auch, dass Stellenabbau im Öffentlichen Dienst Frauen überproportional benachteiligt und insgesamt dazu beiträgt, dass es weniger tariflich entlohnte Arbeit gibt.

Die Drucksache die wir heute beschließen, ist differenziert und transparent. Unser Ziel wird sein: Wenn wir schon Sparen sollen, um das strukturelle Defizit um 6 bzw. 10 Mio € pro Jahr zu verringern, dann nur, wenn wir gleichzeitig die fortschreitende Arbeitsverdichtung für die Beschäftigten möglichst vermeiden. Digitalisierung kann sicher helfen Arbeitsprozesse zu erleichtern. Aber Digitalisierung gibt es nicht zum Nulltarif und funktioniert auch nur, wenn wir eine personell wie finanziell gut aufgestellte Verwaltung haben.

Ein Weg in die richtige Richtung könnte sein, dass wir den Fokus noch mehr auf das Generieren von Fördergeldern richten müssen.
Dass die Beschäftigten aktiv mit eingebunden werden müssen versteht sich von selbst; in der Drucksache ist das auch so benannt.

Richtig angemerkt wird auch, dass wir die städtischen Gesellschaften und Eigenbetriebe in den Blick nehmen müssen. Das entspricht auch der aktuellen Studienlage: Die alle 2 Jahre veröffentlichte OECD-Studie „Regierung auf einen Blick“ kommt zu dem Schluss, dass ein umfangreicher Abbau von Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst nur durch das Auslagern bestimmter Leistungen möglich sei. Das liegt vor allem daran, dass die Nachfrage nach öffentlichen Diensten weiter steigt. Und nicht nur die Nachfrage wird steigen, auch die Herausforderungen, die mit Klimawandel und wachsender sozialer Ungleichheit auf unsere Kommune zukommen, werden wir mit einem Stellenabbau kaum adäquat begegnen können.

Unser Ergänzungsantrag zielt darauf ab, dass die Entwicklung der kommunalen Kosten und die Erstattungen durch Bund und Land in den Bereichen Bildung und soziale Angelegenheiten dargestellt werden, mit dem Ziel den jeweiligen Kostendeckungsgrad dieser Pflichtaufgaben zu evaluieren. Wir erhoffen uns damit Transparenz für das weitere Vorgehen und fordern gleichzeitig die Bürgermeisterbank auf, noch deutlicher mit berechtigten und notwendigen Forderungen nach finanziellem Ausgleich für erbrachte Leistungen an Land und Bund heranzutreten.

Wir sind jetzt gespannt in diesen Prozess und hoffen, dass wir dazu beitragen können, die Verwaltung möglichst nicht zu verschlanken, sondern sie so auszustatten, dass sie effizient und gerecht arbeiten kann.

Vielen Dank!