Michels Rede zum NS-Dokumentatioszentrum in Freiburg

Portrait Michael Moos

Wenige Tage nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau hat der Landtag von Sachsen-Anhalt mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und der LINKEN nach über 1 jähriger Vorarbeit die Verfassung des Landes um einen Art. 37 a ergänzt. Ein bemerkenswerter Vorgang.

In dem neuen Art.37a heißt es: „ Die Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, die Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems sowie rassistische und antisemitische Aktivitäten nicht zuzulassen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung jedes einzelnen“.

Nur die AFD hat gegen diese Verfassungsergänzung gestimmt.

„Nicht zuzulassen“ – das ist ein hoher Anspruch, aber er ist unbedingt richtig. Viele Menschen denken spätestens nach den rechtsterroristischen Mordanschlägen in Kassel gegen Walter Lübcke, in Halle an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag mit dem Angriff auf die dortige Gemeinde, in Hanau gezielt gegen Migranten und Migrantinnen, dass es so nicht weitergehen kann. Zeichen sind notwendig, aber auch Taten.

Primo Levi, der italienische Schriftsteller, der selber nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde, schrieb in seinen Lebenserinnerungen: „Es ist geschehen – folglich kann es wieder geschehen“.

In diesem Sinne hat für unsere Fraktionsgemeinschaft die Arbeit für das Dokumentationszentrum Nationalsozialismus in Freiburg große Bedeutung. Dabei geht es nie um einen bloßen Blick in die Vergangenheit, sondern immer zentral um Gegenwart und Zukunft. So wie es auf S. 6 der Verwaltungsvorlage heißt: „Was ist geschehen? Wie konnte es geschehen? Welche Schlüsse ziehen wir daraus für die Gegenwart?“

Diese Fragen haben viele Menschen in Freiburg seit Jahren, ja Jahrzehnten bewegt und vieles wurde aus der Vergessenheit geholt. Beispielhaft sei erwähnt die Geschichtswerkstatt der Lessing- Realschule unter Leitung von Frau Dienst-Demut, welche die Geschichte der ehemaligen Zwangsschule für jüdische Kinder an der Lessing-Realschule aufarbeitete und die Stolperstein Initiative mit Marlies Meckel als treibende Kraft, die mit den Stolpersteinen viele Opfer des Faschismus in Freiburg aus der Anonymität zurückholte, ihnen Namen und eine Identität gab.

Die Vorlage gibt noch keine befriedigende Antwort darauf, wie die vielen Initiativen aus der Bürgerschaft in den nächsten 2 Jahren in die Arbeit für das Dokumentationszentrum besser eingebunden werden können. Ein Beispiel dafür liefert Stuttgart mit dem Hotel Silber, wo die engagierten Bürgerinnen und Bürger von Anfang an Sitz und Stimme in einem Fachbeirat hatten.

Auch ist die inhaltliche Konzeption unter Punkt 4.2.1 mit den 4 Clustern noch sehr vage. Genannt werden eigentlich bisher nur Überschriften, was dem Auftrag mit Drucksache G-18/159, dem Gemeinderat eine detaillierte Ausstellungskonzeption vorzulegen, noch nicht entspricht. Es ist zu wünschen, dass dem Gemeinderat baldmöglichst ausführlicheres vorgelegt wird. Die Kritik von Professor Schwendemann und anderen an den bisher vorgesehenen Modulen ist noch nicht eingearbeitet, was Aufgabe des Arbeitskreises Modulauswahl sein soll. Wir sind auf das Ergebnis gespannt und bitten um Vorlage der Ergebnisse.

Das uns mit Schreiben vom 24. Januar 2020 mitgeteilte Ausscheiden der bisherigen Projektleiterin Frau Doktor Ellwarth, die Ausschreibung einer Nachfolgestelle sowie der Versuch, die Zeit bis dahin mit einem jungen Historiker mit Zeitvertrag zu überbrücken, ist nicht Gegenstand der Drucksache. Dabei hat unserer Erachtens die befriedigende Lösung der Personalfrage höchste Priorität, um die für Dezember 2021 vorgesehene Eröffnung des Dokumentationszentrums realisieren zu können. Wir halten weitere Quellenarbeit und insbesondere Suche nach Dokumenten aus der NS-Zeit für unerlässlich. Wir sind der Meinung, dass nach weiteren Hilfskräften gesucht werden muss, um die Fülle der anstehenden Arbeit zu bewältigen. Das kann ein Historiker mit Zeitvertrag allein nicht leisten.

Unsere Fraktionsgemeinschaft wird weiterhin mit aller Kraft die Arbeit für das Dokumentationszentrum unterstützen und stimmt der Vorlage zu.