Monikas Rede zur Ermöglichung von Fuß- und Radverkehr mit Sicherheitsabstand

Portrait Monika Stein

Herr Oberbürgermeister,

liebe Anwesende,

aufgrund unseres interfraktionellen Antrags zu „Fuß- und Radverkehr mit Sicherheitsabstand ermöglichen“ von Mai 2020 diskutieren wir heute diese Vorlage. Leider diskutieren wir sie erst heute, wir haben eine große Chance vertan.

Andere Städte in Deutschland, aber auch weltweit, haben die Corona-Krise genutzt, um den öffentlichen Straßenraum umzuverteilen. Platz für Autos wurde vermindert, Platz für Menschen geschaffen.

Auf den gewonnenen Flächen können Menschen gehen, joggen, Radfahren, sitzen, spielen, Kaffee trinken, Restaurants besuchen und vieles mehr. Wer Bilder aus Paris anschaut, wo die Bürgermeisterin sehr mutig vorangeschritten ist und jetzt auch klar wiedergewählt wurde, kann Sehnsucht entwickeln. Dort finden sich jetzt viele Menschen auf den Flächen, die vor nicht allzu langer Zeit noch von Autos verbraucht wurden.

In Freiburg haben wir diese Chance leider fast komplett verschlafen. Nur in der letzten Gemeinderatssitzung wurde eine kleine Umverteilung des öffentlichen Raums beschlossen – Gastronomiebetriebe dürfen bis Ende Oktober auf definierten Flächen nach niederschwelligem Antrag im öffentlichen Raum Außengastronomie betreiben.

Dem Vernehmen nach ist es ein riesiger Erfolg, es gibt keine oder kaum Beschwerden, die betroffenen Stadtteile gewinnen dadurch sehr.

Der Straßenraum mit seiner Verteilung zugunsten des motorisierten Verkehrs hingegen blieb in Freiburg unangetastet. Zweimal gab es eine Pop-Up-Bikelane am Schlossbergring, bei der die Freiburger*innen einen kleinen Vorgeschmack davon hatten, wie schön die Stadt sein könnte, wenn Menschen auf dem Rad und zu Fuß viel Platz haben. Leider blieb es bei diesen zwei eintägigen Events. Dadurch haben wir eine Chance vertan, aber es ist jetzt wohl zu spät, der Auto- und LKW-Verkehr ist fast auf dem Niveau von vor Corona angelangt.

Warum wir dies so ärgerlich finden? Viele Menschen haben durch Corona ihr Mobilitäts- und Freizeitverhalten geändert. Leider meiden viele Menschen seit März aus Angst vor Ansteckung den ÖPNV. Unserer Meinung nach hätten wir viele von ihnen umweltfreundlich auf Fahrräder und E-Bikes umlenken können, wenn wir genügend Platz zum sicheren Fahren, zum schnellen Fahren, zum sicheren Überholen bieten würden. Stattdessen knubbeln sich auf den meisten Rad- und Fußwegen immer mehr Menschen, während Autos genau so viel Platz haben wie vor Corona. Allerdings bleibt eins unberücksichtigt: in Autos habe ich automatisch den Sicherheitsabstand zu anderen Menschen, weil ich die Karosserie um mich rum habe und die Fenster schließen kann. Auf dem Rad oder zu Fuß müssen Menschen darauf achten, dass sie den Abstand zu anderen Menschen halten können. Empfohlen ist – auch im Freien – 1,50m. Die lassen sich aber beim Überholen oder Begegnen oft nicht einhalten – sowohl auf Rad- als auch auf Fußwegen.

Überzeugen kann folgende Aussage aus der Vorlage nicht: S. 3: „Bei einem Wiederansteigen des Kfz-Verkehrsaufkommens könnte dann die Situation eintreten, dass eine Flächen-Umwidmung zu Gunsten von „Corona-Radfahrstreifen“ wieder rückgängig gemacht werden muss oder es müssten regelmäßig erhebliche Verkehrsbehinderungen in Kauf genommen werden.“ Wir können es auch andersrum sehen. Wenn wir Verkehrsfläche für Radfahrer*innen und Fußverkehr schaffen, wird dieser Verkehr besser fließen, die Menschen werden sich sicherer fühlen und können Abstand halten. Kann sein, dass der Auto- und LKW Verkehr dann nicht ganz problemlos durchrollt, aber wir müssen Prioritäten setzen – und unsere sind klar bei den Menschen, der Umwelt und der Sicherheit.

Aber diese Chance ist vorerst vertan.

Kommen wir zu den Maßnahmen, die in der Vorlage vorgeschlagen werden als kurz- und mittelfristige Maßnahmen.

Wir begrüßen die fahrradfreundliche Umgestaltung der Rempart-, Belfort- und Wallstraße sehr. Über die Umwandlung der Wentzinger-Straße zur Fahrradstraße freue ich als Stühlingerin mich ganz besonders. Wir sind sicher, dass Sie mit der Bundespolizei eine einvernehmliche und gute Lösung für alle Beteiligten finden werden.

Und auch die mittelfristigen Planungen wie fahrradfreundlichere Umgestaltung des Innenstadtrings und dauerhafte Umgestaltung des Knotens an der BaslerStraße / Merzhauser Straße sind sinnvolle und richtige Maßnahmen.

Unser gemeinsamer Antrag zu mehr Sicherheit im Fußverkehr, den die Verwaltung erfreulicherweise übernommen hat, soll einerseits die Einsehbarkeit von Straßenkreuzungen deutlich erhöhen, indem die vordersten Auto-Parkplätze an den Kreuzungen zu Radabstellplätzen werden. Kinder oder auch Erwachsene können hinter parkenden SUVs oder Lieferwagen nicht gesehen werden vom Verkehr – und sie haben auch keine Chance, vorm Überqueren der Kreuzung den Straßenverkehr zu beobachten, weil sie nichts sehen. Dies ist kostengünstig umsetzbar. Die Verwaltung soll prüfen, wie schnell und wie genau sie dies umsetzen kann.

Der zweite Punkt ist, dass Pflegedienste, Handwerker*innen und Lieferdienste oft Schwierigkeiten haben, ihr Auto ohne Verkehrsbehinderung aber nah am Einsatzort abzustellen. Daher müssen wir dafür sorgen, dass dies möglich ist.

Dass das Garten- und Tiefbauamt mehr Mitarbeiter*innen braucht, um die Verkehrswende einzuläuten, leuchtet wohl allen ein. Wir sind sehr gespannt auf die Vorlage, die Sie uns im Oktober/November vorlegen werden, für den Sie unseren Antrag auf Einrichtung einer Projektgruppe Mobilität und die Verankerung von mehr Radverkehrsmitteln im kommenden Doppelhaushalt als Ideengeber für eine Vorlage im Oktober oder November nehmen. Dies freut uns außerordentlich. Wir vertrauen darauf, dass wir in dieser Vorlage den Geist unseres Antrags wiederfinden werden und freuen uns auf die Debatte im Herbst.

Dass wir das Gehwegparken beenden wollen und deswegen die Verwaltung bitten, uns darzulegen, wie das baldigst vonstatten gehen kann, dürfte Sie, Kollege Rotzinger als ehemaligen Polizeipräsidenten, erfreuen. Wir beenden damit schließlich einen rechtsfreien Raum in Freiburg.

Den Menschen vom Fuß- und Radentscheid Freiburg möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich und auch im Namen meiner Fraktion EINE STADT FÜR ALLE für ihr Engagement danken, das uns anspornt und sicherlich bald Rückenwind geben wird für weitere mutige Entscheidungen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit