Sachstandsbericht zu den „psychosozialen Folgen der Corona-Pandemie“ bei Kindern und Jugendlichen

Gemeideratsanträge

Sachstandsbericht zu den „psychosozialen Folgen der Corona-Pandemie“ bei Kindern und Jugendlichen und Vorlage eines darauf abgestimmten ersten Maßnahmenpakets

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die unterzeichnenden Fraktionen beantragen einen zeitnahen Sachstandsbericht zu den „psychosozialen Folgen der Corona-Pandemie“ bei Kindern und Jugendlichen und im Anschluss an eine inhaltliche Diskussion im zuständigen Fachausschuss die Vorlage eines darauf abgestimmten ersten Maßnahmenpakets.
Der Sachstandsbericht sollte sich dabei auf Rückmeldungen der entsprechenden Ämter, Fach- und Beratungsstellen, Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Jugendfreizeiteinrichtungen stützen.
Ziel ist es, die „psychosozialen Folgen der Corona-Pandemie“ den Gremien des Gemeinderats – insbesondere im Kinder- und Jugendhilfeausschuss – transparent zu machen und konkrete Maßnahmen auf Grundlage der inhaltlichen Diskussion des KJHAs auf den Weg zu bringen.

Begründung:

Die Corona-Pandemie und damit verbundene Einschränkungen griffen und greifen massiv in den Alltag von Kindern und Jugendlichen ein und stellen ihn meist völlig auf den Kopf. Für viele Kinder und Jugendliche bedeuten die Corona-Maßnahmen den Verlust von Tagesstruktur und Routinen, einen Mangel an Sport- und Bewegungsmöglichkeiten, fehlende soziale Kontakte, unsichere Zukunftsperspektiven durch Einschränkungen bei Schulabschluss oder Praktika, keine bzw. eingeschränkte Erfolgserlebnisse und eine Verdichtung des Alltags auf das häusliche Umfeld, wodurch Konflikte zwischen Geschwistern und zwischen Eltern und Kindern sowie der Medienkonsum zunehmen.
Gerade das Jugendalter birgt aber wichtige Entwicklungsaufgaben: Die Ablösung vom Elternhaus und das Eingehen neuer, stabiler Peerbeziehungen. Diese psychischen Prozesse werden durch Corona stark eingeschränkt. Jugendliche sollten genau das Gegenteil tun: In bewährten kleinen Gruppen bleiben und möglichst Kontakte zu neuen Menschen auf ein Minimum reduzieren. Dadurch wird die Entwicklung der Jugendlichen enorm erschwert.
Die psychischen Folgen dieser Umstände können sich durch eine Reihe von Symptomen äußern. Am häufigsten sind hier Stress, Ängste (u.a. Schulangst, Zukunftsängste, Verlustangst), Schulunlust, Schuldgefühle, Traurigkeit, Interessenverlust, sozialer Rückzug und Zwangsstörungen.
In einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf zeigte beispielsweise fast jedes dritte Kind Hinweise auf eine psychische Belastung. Vor der Pandemie waren es nur 20 Prozent. Fast 85 Prozent der Kinder geben an, die Corona-Krise als belastend zu empfinden. Auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Tübingen gab es seit Beginn der Pandemie anderthalbmal bis doppelt so viele Notaufnahmen. Besonders häufig geht es dabei um Zwangs- und Essstörungen, Depressionen und Angststörungen.
Zusätzlich zu den psychischen Folgen der Pandemie führen Schulschließungen zu einer Vergrößerung von Bildungsungerechtigkeiten. Besonders betrifft dies Gruppen, die ohnehin benachteiligt sind, was häufig durch das Bildungsniveau der Eltern, die Klassenzugehörigkeit und prekäre Lebenslagen bedingt ist.
Die negativen Auswirkungen der Schulschließungen sind dabei umso größer, je jünger die betroffenen Schülerinnen sind. Darüber hinaus erleiden vor allem Kinder aus bildungsfernen Haushalten und Kinder mit Migrationshintergrund öfter Lerneinbußen. In diesen Haushalten ist die Lerninfrastruktur häufig ungünstiger – da oftmals digitale Endgeräte und ein ruhiger Platz zum Arbeiten fehlen. Ferner können Eltern weniger gut den Unterricht zu Hause unterstützen und haben weniger Erfahrungen bei der Unterstützung bei den Hausaufgaben. Untersuchungen zur Lernzeit der Kinder im Fernunterricht kommen zu dem Schluss, dass leistungsstärkere Schülerinnen mehr Zeit für das Lernen aufwenden. Darüber hinaus zeigt sich, dass Gymnasien im Durchschnitt besser auf den digitalen Fernunterricht vorbereitet sind als andere weiterführende Schulen. Zusätzlich stark betroffen sind auch Kinder, die in Familien aufwachsen, die von Suchterkrankungen oder psychischen Erkrankungen betroffen sind und Familien, in denen Gewalt eine große Rolle spielt.
Vor diesem Hintergrund halten wir es für zwingend notwendig, dass die Stadt Freiburg gemeinsam mit Fach- und Beratungsstellen, Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Jugendfreizeiteinrichtungen möglichst schnell eine erstes Maßnahmenpaket erarbeitet und auf den Weg bringt, um die beschriebenen Folgen der Pandemie bestmöglich abzufedern.

Mit freundlichen Grüßen
Felix Beuter, Angelina Flaig, Emriye Gül, Irene Vogel // Eine Stadt für alle
Pia Maria Federer, Jan Otto // Bündnis 90/Die Grünen
Dr. Carolin Jenkner, Peter Kleefass // CDU-Fraktion
Julia Söhne, Karin Seebacher // SPD/Kulturliste-Fraktion
Sophie Kessel, Ramon Kathrein // JUPI-Fraktion
Dr. Wolf-Dieter Winkler // Freiburg Lebenswert