Schulentwicklungbericht: Große Baustelle seit Jahren, die Chancengerechtigkeit

„Das Recht auf Bildung beginnt mit der Geburt und besteht das ganze Leben lang. Menschen lernen in Kindertagesstätten, in der Schule, an Hochschulen, Berufsschulen, in ihrer Freizeit, im Beruf und an vielen weiteren Orten.“ So steht es auf der Homepage der UNESCO.

Ja, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

Bildung ist ein Kinder- und ein Menschenrecht. Auch unser Grundgesetz verspricht in Art. 3 Abs. 3:
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft … benachteiligt oder bevorzugt werden“
Noch immer ist es leider auch in Freiburg so, dass die soziale Herkunft, also der familiale Hintergrund, maßgeblich dafür ist, wohin der Schul- und damit für viele auch der Lebensweg geht. Der Familie, in die mensch zufällig hineingeboren wird, kommt hier eine Schlüsselrolle zu, die im vorliegenden Bericht leider nur unzulänglich beleuchtet wird. Was die Kinder in den frühen Entwicklungsjahren nicht lernen können, fehlt ihnen später u.a. in der Schule.

Aber der Bericht spricht auch Klartext, z.B. auf Seite 40:

„Wie schon im Bildungsbericht 2013 festgestellt, gehen zwei Drittel der Schüler_innen ohne Migrationshintergrund nach der 4. Klasse auf ein Gymnasium, aus der Gruppe der Schüler_innen mit Migrationshintergrund sind es 33 Prozent.“ 2013 !!!
Weiter heißt es, Freiburg stelle im Vergleich mit anderen Stadtkreisen das Schlusslicht dar. Das macht uns sehr betroffen. Doch leider erfahren wir nicht, woran das liegt. Was machen die anderen besser?

Ein weiteres wichtiges Zitat unterstreicht neben der Herkunft auch die Bedeutung der sozialräumlichen Umgebung:

„Die soziale Komposition …bestimmt weiterhin den Bildungsweg. In Stadtbezirken mit hoher SGB-II-Quote wechseln deutlich weniger Grundschüler_innen auf ein Gymnasium – während es in Weingarten 20 % sind, sind es in Herdern mehr als 90 Prozent.“
Die soziale Spaltung in unserer Stadt ist also offenkundig! Der von allen gewollte „soziale Zusammenhalt“ ist dadurch stark gefährdet.

Wenn wir hier über Schulentwicklungsprozesse sprechen wollen wir nicht einseitig ein „Hohes Lied“ auf die Gymnasien und anschließendes Studium anstimmen. Handwerkliche, pflegerische, soziale oder kaufmännische Berufe sind das Rückgrat unserer Stadt. Wir merken das längst schon am allseitigen Arbeits- und Fachkräftemangel. Umso wichtiger ist es, allen interessierten Jugendlichen hier gelingende Zugänge zu ebnen. Deshalb dürfen die Werkrealschulen, die Realschulen und schließlich auch die beruflichen Schulen kein Schattensein führen.

Auch der Schulentwicklungsbericht beklagt, dass Jugendliche mit Hauptschulabschluss nur wenige Chancen auf einen Ausbildungsplatz hätten. Gerade ausländischen Jugendlichen sei der Zugang zur Ausbildung erschwert.

In großer Sorge angesichts der hier skizzierten Problemlagen, die wir sicherlich alle seit langer Zeit auf ähnliche Weise wahrnehmen und kritisieren, wollen wir hier und heute nicht mehr auf das langjährige Drama um ausstehende Schulsanierungen (Stichwort Lehen) etc. eingehen.

Stattdessen suchen wir schwerpunktmäßig heute mit Ihnen allen konstruktive nachhaltige Weichenstellungen für die Kids und Jugendlichen, die ohnedies schon am Rande der Gesellschaft leben.

Offenkundig reichen für diese Zielgruppen unsere bisherigen Vorgehensweisen nicht aus, um den hohen Erwartungen unseres Schulsystems genügen zu können. Leider spiegelt dieser Bericht naturgemäß nicht die wesentlichen Entwicklungszeit von 0 – 6 Jahre wider. Deshalb regen wir grundsätzlich an dieser Stelle für die Zukunft einen „Bildungs- und Schulentwicklungsbericht“ für diegesamte Entwicklung von der Geburt bis zur Berufseinmündung an.

Wie Ihnen bekannt ist, beantragen wir heute

  1. Die Konstituierung einer interdisziplinären Fachkommission zur Entwicklung von Strategien und Konzepten zur Überwindung von Bildungsungleichheit bei Risikoschüler_innen in benachteiligenden Quartieren, exemplarisch für den Stadtteil Weingarten
  2. In dieser Fachkommission sollten neben der Verwaltung wichtige Akteure aus dem Stadtteil Weingarten und der Stadtgesellschaft gemeinsam mit überörtlichen Fachexpert_innen daran zusammenarbeiten.

Wir denken, dass es endlich an der Zeit ist, neue Wege auszuloten, um Chancengleichheit für alle Freiburger Kinder und Jugendliche zu gewährleisten.

Im Rahmen eines Antrags unserer Fraktion zum letzten Sozialbericht wurde uns noch von BM Stuchlik und der Verwaltung zugesagt, dass das ASB ein Konzept für die Übergangsbegleitung von Weingartener Kindern in die weiterführenden Schulen erarbeiten und umsetzen würde. Auch darauf warten wir bis heute.

Natürlich gibt es auch in anderen Quartieren ähnliche Problemkonstellationen. Weingarten soll der Anfang sein. Hier sollen Modelle exemplarisch erprobt werden.

Unser Ziel ist und bleibt: Chancengleichheit für Alle hier konkret Bildung für Alle zu realisieren.

Vielen Dank