Schulentwicklungsbericht offenbart weiter große Leerstellen bei der Bildungsgerechtigkeit!

Portzrai von Eiyre Gül

Sehr geehrter Oberbürgermeister Horn,

sehr geehrte Bürgermeisterin Buchheit,

liebe Anwesende,

der vorliegende Schulentwicklungsbericht offenbart uns einmal mehr, wo die echten Leerstellen in unserer Bildungslandschaft sind.

Wir alle wissen, dass Bildung weit mehr ist, als der bloße Erwerb von Wissen oder Fähigkeiten. Bildung ist der Schlüssel zu persönlichem Erfolg, zur persönlichen Entfaltung und sozialem Aufstieg und trägt zu einem erfüllten und gesunden Leben bei.

Doch wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, dass der Zugang zu Bildung von Faktoren abhängt, die nichts mit den Fähigkeiten und Talenten der Schüler*innen zu tun haben: die soziale Herkunft, das familiäre Einkommen, der Migrationshintergrund und der Bildungsstand der Eltern spielen nach wie vor eine große Rolle dabei, wer in der Schule Erfolg hat und wer nicht. Auch bei uns.

In Freiburg liegt die Übergangsquote auf ein Gymnasium mit knapp 60% über dem Landesdurchschnitt von 45%. Wenn wir uns die Zahlen genauer anschauen, fällt schnell auf, dass es große Unterschiede zwischen den Stadtteilen gibt. Beispielsweise wechselten im Durchschnitt der letzten drei Jahre 90% der Schüler*innen in Herdern auf ein Gymnasium, wohingegen in Weingarten der Anteil der Schüler*innen nur bei 14% lag.

Auffällig ist, dass die Übergänge und die SGB-II-Quoten in den Stadtteilen korrelieren. Darauf haben wir immer wieder hingewiesen und konstruktive Ideen und Lösungsansätze vorgetragen. Zuletzt beim DHH in Form eines Gesamtpaketes „Chancengerechtigkeit Modellprojekt Weingarten“, das damals leider keine Mehrheit hatte.

Auch fällt auf, dass Kinder mit Migrationshintergrund nach wie vor an den Gymnasien unterrepräsentiert sind. Aber immerhin hat Freiburg es diesmal geschafft, im Vergleich mit anderen Stadtkreisen nicht mehr das Schlusslicht zu bilden. Das könnte sich jetzt wieder ändern mit der Wiedereinführung der Grundschulempfehlung. Warum? Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor von 2020 hat gezeigt, dass Kinder mit Migrationshintergrund seltener eine Gymnasialempfehlung bekommen trotz gleicher Ergebnisse in standardisierten Leistungstests. Andere Studien haben gezeigt, dass dasselbe Diktat mit Namen Murat im durchschnitt um 0,3 schlechter benotet wird.

Was uns ebenfalls ins Auge fällt, ist die hohe Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund, die an den Freiburger SBBZs sind. Da im vorliegenden Bericht keinerlei Erklärung dazu vorliegt, wie die hohen Zahlen zu deuten sind, haben wir dazu eine interfraktionelle Anfrage gestellt.

Im Antwortschreiben, das wir gestern erhalten haben, heißt es: ich Zitiere „Die Anliegen, die Sie in Ihren Fragen zum Ausdruck bringen liegen nicht im Verantwortungsbereich der Stadtverwaltung.“ und weiter: „Die Stadt als Schulträgerin ist in die Entscheidung, welche Kinder einen sonderpädagogischen Bildungsanspruch haben, nicht involviert und berät auch nicht zum Verfahren“.

Das ist natürlich richtig. Die Stadt als Schulträger ist verantwortlich für die Einrichtung öffentlicher Schulen und das Management und Betrieb der Schulen. Aber es ist wichtig, dass eine Stadt nicht nur die Pflichtaufgaben als Schulträger erfüllt, sondern auch darüber hinaus aktiv wird, um den gesellschaftlichen zusammenhalt zu stärken und dadurch das Vertrauen in öffentliche Institutionen zu fördern, um somit der Spaltung der Gesellschaft vorzubeugen. Aber an dieser Stelle möchten wir uns beim Schulamt auch bedanken, das schon viele freiwillige Leistungen in Freiburg umsetzt.  Als Beispiel wäre die Schulsozialarbeit oder die durchgängige Sprachbildung zu nennen.

Im Antwortschreiben sehen wir aber, dass die Zahl der Schüler*innen auf der Kirsten-Boie-Schule, Schwerpunkt sprachliche Entwicklung, deutlich gestiegen ist. 

Da Deutsch bei migrantischen Schüler*innen nicht die Erstsprache ist, könnte hier die Sprachbarriere eine der Ursachen sein. Statt sie gezielt sprachlich zu fördern, werden sie jedoch oft vorschnell als „lernbehindert“ abgestempelt. Sprachschwierigkeiten werden – teils aufgrund mangelnder Ressourcen – mit kognitiven Einschränkungen verwechselt. Dies führt dazu, dass Kinder, die lediglich Unterstützung in der deutschen Sprache benötigen, in ein Fördersystem eingegliedert werden, das nicht ihrem tatsächlichen Können entspricht.


Wir nehmen den Bericht heute zur Kenntnis, wohl wissend, dass es noch andere Punkte gibt über, die wir heute nicht gesprochen haben, aber die wir weiter auf dem Schirm haben und eng begleiten werden. Denn eines ist klar: Wenn wir es nicht schaffen, Bildungsgerechtigkeit herzustellen, nehmen wir bewusst in Kauf, dass Potenziale ungenutzt bleiben. Wenn wir es nicht schaffen, allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen zu bieten, verstärken wir soziale Ungleichheit. Der Weg zu sozialem Aufstieg wird immer schwieriger und die Chancenungleichheit setzt sich über Generationen hinweg fort. Daher wird für unsere Fraktion der nächste DHH auch einen Schwerpunkt Bildung haben. Mit entsprechenden Anträgen werden wir auf die Fraktionen zukommen und hoffen hierbei auf Unterstützung.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.