Wir brauchen eine echte Verkehrswende, keinen hypothetischen Tunnel!

Portzrai von Eiyre Gül

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Horn,

liebe Anwesende,

„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Wir alle kennen dieses berühmte Zitat des französischen Literaten Daniel Goeudevert und die ein oder anderen haben es auch hier in Gemeinderatsreden schon des Öfteren bemüht. Heute tun wir es.

Mit dem Bau eines Stadttunnels könnte durch die Reduzierung des oberirdischen Verkehres, „… ein hoch attraktiver neuer Stadtraum an der Dreisam entstehen, ein „Dreisam Park“ oder „Dreisam Boulevard“ so wird es in der Informationsvorlage beschrieben. Was bedeutet das? Dass nur durch den Bau eines Stadttunnels die Stadtverwaltung in der Lage ist, einen attraktiven öffentlichen Raum zu gestalten?

1999 beschloss der damalige Gemeinderat den Stadttunnel. Also vor über 20 Jahren. Seit 2010 wird geplant und in all dieser Zeit ist erst einmal – genau – nichts passiert. Und jetzt wird, wenn überhaupt, wahrscheinlich erst Frühestens 2035 gebaut und bis dahin wird oberirdisch weiter – richtig – nichts gemacht und das ist verkehrspolitisch einfach falsch.

In anderen Städten wurde in weniger als 20 Jahren ein ganzes Stadtbild zum Positiven verändert. Im niederländischen Utrecht wurde in den 1970er Jahren ein großer Kanal zubetoniert und zu einer Autobahn umgebaut. Ideengeber für diese Autobahn war der 1960 verstorbene deutsche Verkehrsexperte Professor Max Erich Feuchtinger. Dieser Irrtum wurde dann Anfang der 2000er korrigiert und der Platz den Menschen und dem Wasser zurückgegeben. Diese Neugestaltung des Platzes (Catharijnesingel-Kanals) wurde dann 2022 mit dem Gewinn des Preises: „European Prize for Urban Public Space 2022“ gewürdigt. Wir sollten nicht den gleichen Fehler begehen.

Was genau möchte die Stadt mit dem Bau des Tunnels eigentlich überhaupt erreichten? Sie möchte im Rahmen der Stadtentwicklung den Bereich der südlichen Innenstadt entlang der Dreisam entlasten. Dadurch soll der heute an der Oberfläche täglich vorhandene Verkehr um bis zu 80 % reduziert werden. Die verbleibenden 20% oder bis zu 20.000 Autos pro Tag werden aber weiterhin durch die Stadt gelenkt. Und was passiert mit den westlichen Stadtteilen und den im Umland liegenden Ortschaften wie Falkensteig, die durch die Umbaumaßnahme am meisten betroffen sein werden? Ursprünglich sollte der Stadttunnel an den Falkensteigtunnel gekoppelt sein. Im Plan des Bundesverkehrswegeplans 2030 ist dieser nicht mehr vorhanden. Es braucht hier aber eine überregionale und integrierte Verkehrsplanung, die nicht an Stadt- und Kreisgrenzen Halt macht. Im September dieses Jahres haben wir in einer Anfrage an die Stadtverwaltung unter anderem Fragen zum Zeithorizont und den Kosten gestellt. Neben vollkommen unklaren Aussagen zu Kosten und Zeithorizont kritisieren wir vor allem die darin gemachte Aussage, dass der Stadttunnel vornehmlich der Stadtreparatur dienen soll. Aber, wenn man in Berlin mit dem Anspruch vorstellig wird, dass man hier vor allem eine Stadtentwicklungsplanung betreibt und das Umland bzgl. der sich daraus ergebenden verkehrlichen Folgen im Regen stehen gelassen wird, ist eine überregionale Verkehrsplanung nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Städtische Planungen finden aus unserer Sicht auf dem Rücken des Umlandes statt.

Dass angesichts der Klimakatastrophe nach wie vor kein Umdenken in der Verkehrspolitik beim Bund stattfindet, keine Forderung nach einem raschen Verbot des Lkw-Transitverkehrs durch Freiburg und den Schwarzwald gestellt wird und kein Wort darüber, was ein Stadttunnel in Freiburg an weiter steigendem Verkehr für die Anlieger:innen vor dem Tunnel und dahinter nach sich zöge, verloren wird, lässt uns als Fraktionsgemeinschaft fassungslos zurück.

Grundsätzlich stellen wir – neben klima- und verkehrspolitischen Zweifeln – aber auch in Frage, ob 

a) der Bund punktuell so ein Projekt planen kann und darf, ohne für den weiteren Streckenverlauf insbesondere am Falkensteig und im Dreisamtal tragfähige Lösungen anzubieten;

b) ob die notwendigen Finanzmittel beim Bund nicht besser für die wirklich drängenden Probleme bereitgestellt werden sollten;

c) ob wir es hinnehmen dürfen, dass der Bund Unsummen von vielen hundert Millionen einfach ins Schaufenster hängt, ohne beispielsweise aktuell in der Lage zu sein, eine adäquate Wohnraumförderung, den Fortbestand des 49-Euro-Tickets und eine grundsätzlich auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen abzusichern.

Unsere Fraktionsgemeinschaft wird also auch weiter drauf drängen, dass es insgesamt zu einer wirklichen Verkehrswende kommt, anstatt einen hypothetischen Tunnel evtl. ab 2045 als Lösung anzubieten. Noch dazu, ohne dabei mindestens die parallele Notwendigkeit eines weiteren Tunnels am Falkensteig (für mindestens weitere 300 Millionen Euro) zu benennen. Für eine solche Verkehrswende müssen Güterverkehre viel konsequenter als bisher wieder von der Straße genommen und regional ein ÖPNV-System angeboten werden, auf das sich die Menschen wieder verlassen können und das in der Nutzung attraktiv ist.

Wenn die uns vorgelegte Drucksache eine Beschlussfassung gewesen wäre, würden wir sie jetzt ablehnen. So nehmen wir sie lediglich zur Kenntnis.

Vielen Dank.