Ziel muss Müllvermeidung sein, keine Preissteigerung

Portrait Lina Wiemer-Cialowicz

Sehr geehrter Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei der Einführung von neuen Regeln müssen wir uns immer fragen, ob wir alle dasselbe Ziel verfolgen und ob die vorgeschlagene Maßnahme dazu dient, diesem Ziel auch näher zu kommen. Einig sind wir uns als Gemeinderat, dass wir die Müllmenge in der Stadt reduzieren müssen. Die große Frage ist: Wie bekommen wir das hin und welche Maßnahmen sind dazu geeignet?

Eine kommunale Steuer auf Verpackungen einzuführen könnte ein Weg sein. Man schaut, wie das in Tübingen funktioniert und übernimmt die Idee auch für Freiburg. Denn schließlich hat Tübingen damit gute Erfahrungen gemacht: Viele Gastrobetriebe haben sich mit der Steuer arrangiert, die Verwaltung hat viel kommuniziert, die Mehrwegquote ist deutlich gestiegen, Einnahmen konnten erzielt werden. Das klingt doch ganz gut. 

Doch ist die Verpackungssteuer wirklich geeignet, um die Müllmenge in der Stadt zu reduzieren? Meine Fraktion hat da das eine oder andere Fragezeichen.

Was es bereits gibt, ist eine bundesweite Mehrwegpflicht. Aber die, so die Rückmeldungen, sei schlecht konzipiert und brächte wenig. Hier wäre der Bund in der Pflicht nachzubessern und auch die Verpackungsindustrie mehr in die Pflicht zu nehmen, statt die Verantwortung beim Verbraucher zu parken. 

Eine deutschlandweite Regelung wäre also deutlich sinnvoller. Sie könnte den Verpackungsmüll zu reduzieren helfen, anstatt die Einführung eines kommunalen Flickenteppichs zu fördern. Wir sehen hier also den Bund in der Verantwortung. Der aber tut wenig, um die Müllberge zu reduzieren und das, obwohl die Grünen im Bundestag sitzen. Oder fällt Ihnen jemand von den grünen Bundestagsabgeordneten ein, der oder die sich für die konkrete Reduzierung von Müllbergen einsetzt? Mir nicht. 

Dabei hätte Bundesumweltministerin Lemke vor knapp einem Jahr die Chance gehabt, eine bundesweite Verpackungssteuer einzuführen. Sie scheiterte mit der Änderung des Verpackungsgesetztes und nutzte die Möglichkeit nicht, sich für eine wirksame Kreislaufwirtschaft einzusetzen. Deutschland bleibt daher nur europäisches Mittelmaß und damit deutlich hinter Ländern wie Griechenland, Frankreich oder Schweden, die die Vorgaben aus der EU weit übertreffen. Und jetzt sollen es, wie so oft, die Kommunen richten und ganz selbstverständlich auch noch das dafür notwendige Personal aus eigenen Mitteln bereitstellen.

Ideen, wie es besser ginge, hätten wir: zum Beispiel kostenlose Retouren einschränken oder Vorgaben machen, welche Art von Materialien für Verpackungen verwenden werden dürfen. Aber die grüne Idee von Ordnungspolitik sieht leider oft so aus, dass die Verbraucher zur Kasse gebeten werden und immer im Bewusstsein, dass die eigene Klientel es sich problemlos weiterhin wird leisten können.

Eine ähnlich einseitige Idee übrigens, wie die, Fleisch teurer machen zu wollen. Die Motive sind gut und nachvollziehbar, aber die Umsetzung wenig durchdacht. Denn anstatt seine politische Aufgabe wahrzunehmen und bessere Standards mit der Verpackungsindustrie durchzusetzen, werden die Bürgerinnen und Bürger finanziell mehr belastet und von ihnen wird Eigenverantwortung verlangt. Nach zwei Jahren Preisschock, nach wie vor geringer Kaufkraft und immer noch teuren Lebensmitteln, kommt die Einführung einer Verpackungssteuer zum falschen Zeitpunkt.

Aber es wird sehr wahrscheinlich dennoch eine Mehrheit geben, die die Verwaltung heute damit beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten. Und da auch bei uns in der Fraktion hin und wieder das Prinzip Hoffnung gilt und wir fest die Daumen drücken, dass sich mit der Einführung einer Verpackungssteuer die Sauberkeit verbessert und die Müllmenge doch reduziert, wird es auch von uns zum Teil Zustimmung zur Vorlage geben. Und wir nutzen die Möglichkeit es besser zu machen als Tübingen. Denn wir beauftragen die Verwaltung bessere Rahmenbedingungen vorzubereiten. Daher unser Prüfauftrag, die Drive-In-Verpackungen mit in das Konzept aufzunehmen und eine Verpackungssteuer, wenn sie denn kommt, vor allem dort zu erheben, wo es sinnvolle und praktikable Alternativen gibt.

Und zum Schluss liebe Bürgermeisterbank: Auch Sie wissen, dass es keine Angaben dazu gibt, ob in Tübingen die Müllmenge zurückgegangen ist. Es gibt lediglich den subjektiven Eindruck, dass die Mülleimer weniger voll sind. Wir brauchten in unseren Vorberatungen ganze drei Sitzungen bis rauskam, dass die Einführung einer Verpackungssteuer dazu dienen kann, dass es in der Innenstadt sauberer werden könnte und nicht, dass sich der Müll reduziert. Es geht also in erster Linie um die Frage der Sauberkeit und nicht der Müllreduzierung. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Und das hätte von Anfang so kommuniziert werden müssen. Dann wäre die Aufregung auch nicht so groß gewesen.

Vielen Dank!